Köln: Die Hochschulleitung gegen die Palästinabewegung

18.06.2025, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Jonas Rela

Durch Anzeigen gegen die eigenen Studierenden versucht die Universität Köln erneut, den Protest gegen ihre Mitverantwortung am Genozid in Palästina zu unterdrücken.

Aktivist:innen des palästinasolidarischen Protestcamps hatten am 04. Juli 2024 vier der fünf Türen des Haupteingangs der Uni Köln im Rahmen einer symbolischen Aktion blockiert. Sehr bewusst wurde ein Zugang und Fluchtweg für alle frei gehalten. Statt jedoch endlich auf die Forderungen nach einem Dialog auf Augenhöhe einzugehen, rief die Unileitung die Polizei. Nun wurden die ersten drei der insgesamt elf Angeklagten zu Geldstrafen, in einem Fall in Höhe von ca. 1100 €, verurteilt, obwohl die Staatsanwaltschaft nur 200 € gefordert hatte.

Uni Köln lässt keinen Zweifel daran, dass sie uneingeschränkt an der Seite der israelischen Regierung steht

Die repressive Haltung der Uni-Leitung gegen die palästinasolidarische Studierendenbewegung verdeutlicht sich gegen Ende 2023 im Vorfeld der Einladung des israelischen Botschafters, Ron Prosor. Drei Personen, die den Protest gegen seinen Besuch befürwortet hatten, werden mit einem vorübergehenden Hausverboten belegt. Obwohl das Verwaltungsgericht die Hausverbote aufhob und eine Beschwerde der Universität zurückwies, wird einer der betroffenen Personen der Zugang zunächst verwehrt. Erst in anwaltlicher Begleitung darf sie das Gebäude schließlich betreten, jedoch nur unter ständiger Aufsicht des Sicherheitsdienstes.

Bei einem weiteren Vorfall spielt eine arabisch gelesene Studentin in der Universitäsbibliothek mutmaßlich über einen Bluetooth-Lautsprecher Stimmen aus Gaza ab. Daraufhin wird sie von anderen Studierenden und Sicherheitspersonal bedrängt, erhält ein Hausverbot und wird angezeigt. Das Verfahren wurde später eingestellt, allerdings wird ihr vorgeworfen, durch das Abspielen der Audiodatei antisemitische Motive verbreitet zu haben.

Am 05. April 2024 hebt die Universität die Einladung der Philosophin Nancy Fraser zu einer für den 08. April geplante Vortragsveranstaltung auf, nachdem diese den Aufruf „Philosophy for Palestine“ unterzeichnet hatte. Zwei offene Briefe, die die Absage verurteilen, werden von der Universitätsleitung ignoriert. In ihrer Stellungnahme vom 05. April betont sie stattdessen erneut ihre Partnerschaft mit Israel.

Wie grundverschieden der Umgang hingegen mit rechtsradikalen Lehrkräften ist, verdeutlicht das Beispiel des mittlerweile ehemaligen Privatdozenten an der rechtswissenschaftlichen Fakultät, Ulrich Vosgerau. Durch die Enthüllungen des Recherche-Portals „Corretiv“ über das konspirative Strategietreffen hochrangiger Rechtsextremer im November 2023 in Potsdam wird Vosgerau als einer der Teilnehmer öffentlich bekannt. Er ist ebenfalls Anwalt des Faschisten Björn Höcke und Mitglied der CDU. Während er seinen Posten als Sachverständiger der AfD in der Enquete-Kommission „Krisen- und Notfallmanagement“ des NRW-Landtages daraufhin verliert, sieht die Leitung der Uni Köln keinen ausreichenden Anlass, ihm die Lehrerlaubnis zu entziehen – er entscheidet sich später stattdessen freiwillig dazu, zurückzutreten.

Uni-Leitung bestreitet inoffizielle Repressionsanweisungen

Mitte Mai 2024 errichten Studierende ein Protestcamp vor der Mensa der Uni, das kurz darauf auf die Wiese neben der Mensa umziehen muss. Nachdem die Unileitung in Bezug auf einige der insgesamt 14 Forderungen bekannt gibt, nicht auf diese eingehen zu können, und die Mahnwache nicht als studentische Gruppe anerkennt, entscheiden sich die Aktivist:innen, ihren Protest in anderer Form weiterzuführen und beenden das Camp Ende Juni 2024. Weitere Informationen zu den Forderungen und den Geschehnissen finden sich auf der Website oder dem Instagram-Account des Camps und in unserem Interview aus dem vergangenen Jahr.

Am 4. Juli 2024 entschließen sich einige Aktvist:innen zu der friedlichen Sitzblockade, von denen sich nun elf Personen wegen angeblicher Nötigung und Hausfriedensbruchs vor Gericht wiederfinden. Ungefähr 40 weitere Studierende solidarisieren sich in Form einer angemeldeten Eilkundgebung mit der Aktion. Die Person, die diese angemeldet hatte, wird in der Folge mit dem Vorwurf einer nicht genehmigten Versammlung angezeigt. Während der Blockade bietet die Uni-Leitung, statt auf die Forderung nach einem öffentlichen Gespräch einzugehen, ein auf 30 Minuten begrenztes Gespräch mit zwei Personen unter Ausschluss der Öffentlichkeit an. Dieses Angebot akzeptieren die Aktivist:innen nicht und stellen die Gegenforderung eines öffentlichen und zeitlich unbegrenzten Gesprächs. Das Rektorat wiederum lehnt es erneut ab, ruft die Polizei und lässt die Blockade ohne Widerstand der beteiligten Personen räumen.

Seit Mitte Juli 2024 dürfen Veranstaltungen mit Nahost-Bezug an der Uni dann nur noch in Anwesenheit von Sicherheitspersonal stattfinden, wie die Leitung anlässlich einer Veranstaltung zum Jahrestag des Massakers in Suruç mündlich mitteilt. Einer angeblichen internen Anweisung folgend, wird Studierenden in mehreren Fällen, aufgrund des Tragens einer Kufiya, der Zugang zu Vorlesungen und der Aufenthalt im Hauptgebäude teilweise unter Androhung von Gewalt verwehrt. Der Grund kann allerdings nicht die vorgeschoben Sorge um eine Gefährdung der Sicherheit durch diese Personen sein, sondern einzig der Versuch, die Sichtbarkeit dieses Symbols der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung einzuschränken, denn die betroffenen Personen durften das Gebäude ohne Kufiya betreten. Im Universitäts-Senat wird später behauptet, eine solche Anweisung habe es nie gegeben, jedoch existieren mehrere Videoaufnahmen des Vorfalls. Zu diesem Zeitraum stoßen politische Hochschulgruppen ebenfalls zunehmend auf Hürden bei der Raumbuchung – insbesondere bei Veranstaltungen mit Palästina-Bezug. Es kommt zu Verzögerungen, fehlenden Rückmeldungen und erhöhten Anforderungen an Angaben zu Referent:innen.

Rektor Joybrato Mukherjee heuchelt, ihm seien rechtlich die Hände gebunden

Schon im ersten der elf Prozesse wird der Tatbestand der Nötigung abgewiesen, weil allen Personen der freie Zugang zum Gebäude gewährt und die Fluchtwege nicht blockiert worden waren. Damit verbleibt nur noch der Vorwurf des Hausfriedensbruch, der als Antragsdelikt verfolgt wird, wenn die antragstellende Instanz dies ausdrücklich wünscht. Mit einer Rücknahme des Strafantrags könnte das Rektorat die Strafverfolgung also einstellen lassen und damit Dialogbereitschaft und Einsatz für freie Meinungsäußerung an der Universität signalisieren. Stattdessen versucht es jedoch in Berufung auf das Justiziat der Universität, die Verantwortung für die Strafverfolgung, mit der Falschbehauptung, der Antrag ließe sich nicht zurückziehen und der Verlauf der Prozesse müsse abgewartet werden, um die Umstände zu beurteilen, von sich zu weisen. 

Ganz anders war der Umgang mit Aktivist:innen während der Bildungsproteste zwischen 2006 und 2010 in Form von Besetzungen von Hörsälen, dem Rektorat und Straßenblockaden, bei denen trotz Räumungen durch die Polizei keine Strafanträge gestellt wurden. Die zuständige Richterin in einem der aktuellen Prozesse sprach dem Rektor sogar die klare Empfehlung aus, die Vorwürfe des Hausfriedensbruchs zurückzuziehen. Darauf ging der Rektor jedoch nicht ein und beharrt auf der Durchführung der Prozesse. Um den Angeklagten direkt zur Seite zu stehen, könnt ihr den offenen Brief des „Camp for Palestine Köln“ an den Rektor Mukherjee unterschreiben, Euch auf anderen Wegen öffentlich mit ihnen solidarisieren und sie mit einer Spende finanziell unterstützen.

Solidarität aufbauen – Repression gemeinsam brechen

Wir beobachten eine Welle physischer und juristischer Repressionen gegen Palästinasolidarität. Sowohl in Deutschland, als auch international werden Aktivist:innen, wie unser französischer Genosse Anasse Kazib, unter fadenscheinigen Anschuldigungen vor Gericht gezerrt, um den Widerstand gegen die reaktionäre Politik bürgerlicher Regierungen besonders in den imperialistischen Zentren zu kriminalisieren. Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck eines autoritären Angriffs auf jede oppositionelle Stimme gegen Krieg, Besatzung und Imperialismus. Während rechte Netzwerke auch an Hochschulen weiter geduldet oder gar hofiert werden, trifft der Staat all jene mit voller Härte, die sich internationalistisch und kritisch organisieren.

Unsere Antwort darf nicht beim Appell an Dialogbereitschaft stehen bleiben. Wir brauchen eine Bewegung, die sich nicht spalten lässt, sondern Studierende, Hochschulbeschäftigte und Gewerkschaften in einer gemeinsamen Front gegen Repression, Kriminalisierung und Komplizenschaft mit Kriegspolitik vereint. Der Kampf gegen Repression muss mit Forderungen nach vollen politischen Rechten an der Universität, der sofortigen Rücknahme aller Verfahren, der Offenlegung der Geschäftsbücher  und einer Demokratisierung der Hochschulen von unten verbunden werden. Komitees zur Selbstverteidigung, basisdemokratisch organisiert, können ein erster Schritt sein, reale Gegenmacht gegen den autoritären Umbau der Hochschulen aufzubauen.

In einer Zeit, in der Unis militarisiert und linke Stimmen systematisch unterdrückt werden, braucht es eine klassenkämpferische und internationalistische Antwort. Die Solidarität mit Palästina darf nicht zur Ausnahme, sie muss zum Ausdruck eines weltweiten Widerstands gegen Unterdrückung, Imperialismus und Kapitalismus werden. Nur durch Selbstorganisierung und kollektiven Widerstand können wir den Raum für kritische, freie und solidarische Bildung verteidigen – und ihn zur Keimzelle einer neuen Gesellschaft machen.

Unterstützt unsere Kommiliton:innen an der Uni Köln

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