In Gedenken an Rahma Ayat

31.07.2025, Lesezeit 6 Min.
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Ein brutaler Femizid bei Hannover hat die algerische Gemeinschaft tief erschüttert – und sorgt weit über ihre Grenzen hinaus für Entsetzen bei all jenen, die sich gegen Gewalt an Frauen und Rassismus engagieren. Ihr Fall ist einer von 54 Femiziden in diesem Jahr.

Rahma Ayat, eine 26-jährige algerische Studentin und Krankenpflegeschülerin, wurde in ihrer Wohnung in Hannover Opfer eines brutalen Gewaltverbrechens. Der mutmaßliche Täter, ein 31-jähriger Deutscher, wurde noch am Tatort festgenommen. Nach Angaben von Nachbarn und Angehörigen soll der Mann Rahma wiederholt wegen ihres Hijabs und ihrer algerischen Herkunft belästigt haben.

Als Reaktion auf die Tat riefen die Initiativen Studis gegen Rechts und Femizid Stoppen München zu einer Solidaritätsaktion auf, der sich zahlreiche Organisationen anschlossen – darunter Palästina Spricht, Grenzenlos Feministisch, die Linksjugend Solid und Students For Palestine. Gemeinsam forderten sie Gerechtigkeit für Rahma Ayat und machten auf die tödlichen Folgen von rassistischer und frauenfeindliche motivierter Gewalt aufmerksam.

In den Redebeiträgen wurden antimuslimischer Rassismus und islamfeindliche Hassverbrechen scharf angeklagt. Immer wieder wurde betont, dass solche Gewalt kein Einzelfall sei, sondern Ausdruck eines strukturellen Systems, das Rassismus und patriarchale Gewalt – begünstigt durch kapitalistische Machtverhältnisse – aufrechterhält. Auch die Rolle der Medien wurde thematisiert: Sie würden Fälle wie den Mord an Rahma Ayat oft verschweigen oder verharmlosen, so der Vorwurf.

Bei der Demonstration wurden Kerzen entzündet und Blumen niedergelegt – in Erinnerung an die 54 Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts seit Jahresbeginn in Deutschland ermordet wurden.

Femizide als Teil des Rechtsrucks

Der Femizid an Rahma Ayat wurde bei der Gedenkveranstaltung nicht als isolierte Tat bewertet, sondern als Ausdruck eines tief verwurzelten Zusammenspiels aus Rassismus, Frauenfeindlichkeit und patriarchalen Strukturen – getragen von einem gesellschaftlichen Klima, das weltweit durch reaktionäre politische Strömungen verstärkt wird.

Die Bundesregierung von Friedrich Merz vertieft ihre Politik gegen Migrant:innen und Geflüchtete. Zugleich gewinnt die AfD weiter an Einfluss. Deren Fraktionschefin Alice Weidel etwa diffamierte Migrantinnen öffentlich: „Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern.“ Ihre Hetze ist mitverantwortlich für derartige rassistische und frauenfeindliche Taten wie in Hannover. Gleichzeitig ist sie für ein Abtreibungsverbot und gegen die Selbstbestimmung des Geschlechts und lehnt sogar die gleichgeschlechtliche Ehe und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ab.

Auch in den USA zeigt sich diese Entwicklung deutlich: Unter Donald Trump setzte die Regierung auf eine Politik der massiven und beschleunigten Abschiebung von Migrant:innen – eine Praxis, die nicht nur die staatliche Repression verschärfte, sondern auch gezielt die Rechte von Wanderarbeiter:innen einschränkt und Millionen Menschen das Recht auf ein würdiges Leben in den Vereinigten Staaten beraubt.

Angesichts der grassierenden Frauenmorde, des Machismus, des Rassismus und der migrationsfeindlichen Politik wächst die Bedrohung für Frauen, Queers, Migrant:innen und die gesamte Arbeiter:innenklasse. Deshalb ist es dringend notwendig, dass sich Gewerkschaften gemeinsam mit feministischen und antirassistischen Gruppen auf der Straße organisieren und entschlossenen Widerstand leisten.

Organisieren wir uns gegen patriarchale Gewalt

Nur eine organisierte Kraft kann echte Lösungen für diese Lage schaffen. Es geht nicht darum, die Polizei zu stärken, die uns auf den Straßen mit Gewalt begegnet – gerade dann, wenn wir für unsere Rechte demonstrieren. Dies zeigte sie erst kürzlich, als sie die Internationalist Queer Pride in Berlin brutal mit Schlägen attackierte.

Wir müssen Versammlungen und Aktionen organisieren, um Strategien zu entwickeln, wie wir rassistische Diskriminierung wirksam bekämpfen, alle gegen Migrant:innen gerichteten Gesetze und Politiken abschaffen sowie die Militarisierung an den Grenzen stoppen können. Dabei setzen wir uns für offene Grenzen und volle Rechte für alle Migrant:innen ein.

Wir lehnen die milliardenschweren Investitionen in Waffen ab, die Kriege finanzieren, welche die Interessen der Kapitalist:innen schützen – während gleichzeitig Milliarden an Geldern für Soziales gestrichen werden. Dazu gehören auch Kürzungen bei Frauenhäusern, die Schutz für Opfer männlicher Gewalt bieten.

Wir fordern die Enteignung aller leerstehenden Wohnungen ohne Entschädigung für die Immobilienkonzerne. Es braucht einen öffentlichen und sozialen Wohnungsbau, der speziell Frauen und ihren Kindern, Geflüchteten sowie anderen Bedürftigen zugutekommt. Dieser soll von Bauarbeiter:innen, Sozialarbeiter:innen und den Bewohner:innen selbst verwaltet werden, damit sie Bau, Vergabe und Organisation eigenverantwortlich planen können.

Darüber hinaus setzen wir uns für eine nicht-sexistische, säkulare und geschlechtergerechte Sexualerziehung von Anfang an in den Schulen ein. Wir lehnen es ab, dass Sexualkunde weiterhin aus einer heteronormativen und konservativen Perspektive vermittelt wird. Das Recht auf Abtreibung muss uneingeschränkt gelten – deshalb fordern wir nicht nur die Abschaffung des Paragraph 218, sondern protestieren auch gegen die Schließung von Kreißsälen wie in München-Neuperlach. Gesundheitspolitik muss unseren Bedürfnissen dienen: Wir wollen Selbstbestimmung über Sexualität und Verhütung sowie den Schutz unserer körperlichen und geistigen Unversehrtheit vor Gewalt.

In Erinnerung an die 54 ermordeten Frauen

Allein von Januar bis Juli 2015 gab es 54 öffentlich bekannt gewordene Femizide in Deutschland. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher. Wir gedenken an:

02.01.: Stefanie W., Hamburg

10.01.: Aleyna E., Stuttgart

19.01.: Sarah U., Dortmund

19.01.: Emden

24.01.: Wendeburg

24.01.: Hannelore P., Kochel am See

25.01.: Hong S., Berlin

30.01.: Anna-Lena M., Genthin

17.02.: Hamburg

Februar (keine Angabe über Datum): Schramberg

24.02.: Esslingen

28.02.: Marie B., Rietze

02.03.: Claudia K., Kulmbach

06.03.: Bielefeld

20.03.: Steffi S., Neckargröningen 

19.03.: Thannhausen

23.03.: Ostfildern

März (keine Angabe über Datum): Polina B., München 

März: Schönefeld

03.04.: Marla H., Wetzlar 

03.04.: Franziska A., Burg

03.04.: Berlin

08.04.: Alina, Würzburg

10.04.: Berlin

11.04.: Oberhausen

17.04.: Berlin

19.04.: Espelkamp

22.04.: Alexandra F., Hamburg

25.04.: Waren

03.05.: Troisdorf

05.05.: Goslar

10.05.: Roxy, Fulda

12.05.: Nienburg

12.05.: Warel

14.05.: Julia, Lahr

Mitte Mai (keine Angabe über Datum): Irena Iwona S., Fehmarn

19.05.: Rathenow

20.05.: Waldaschaff

31.05.: Mülheim

02.06.: Linda G., Ronneburg

04.06.: Vana, Hermeskeil

05.06.: Lautenbach

08.06.: München

12.06.: Belinda, Unkenbach

14.06.: Krailing

16.06.: Willershausen

18.06.: Hagen

22.06.: Mülheim

23.06.: Dilek, Osnabrück

26.06.: Alzenau

30.06.: Gelsenkirchen

04.07.: Rahma Ayat, Arnum

07.07.: Kassel 

08.07.: Hamburg

Quelle: Femizide stoppen

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