Inés Heider: „Die Geschäftsführung wollte mich zum Schweigen bringen. Aber ich werde nicht schweigen.“

30.08.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Yunus

In der Rede bei ihrer Gerichtsverhandlung ruft die Sozialarbeiterin Inés Heider dazu auf, jetzt erst recht gegen den Krieg, die Inflation und die Kürzungen zu kämpfen.

Hallo, ich bin Inés. Und wie ihr alle wisst, habe ich bis vor Kurzem als Sozialarbeiterin an der Kepler-Oberschule in Neukölln gearbeitet.

Ich habe mich dabei von Anfang an für bessere Arbeitsbedingungen für alle an der Schule und gegen die angedrohten Kürzungen eingesetzt. Als Gewerkschafterin habe ich zum Beispiel den Streik der Berliner Lehrer:innen für kleinere Klassen immer unterstützt.

Dafür wurde ich von der Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) fristlos gekündigt. Ich hatte also von einem Tag auf den anderen keinen Job mehr. Warum? Weil ich meine Kolleg:innen darüber informiert habe, dass es eine Petition und eine Kundgebung gegen die Sparmaßnahmen gibt, die vor allen Dingen die Kids treffen würden, mit denen ich tagtäglich zusammengearbeitet habe. Ich wurde also entlassen, weil ich nicht geschwiegen habe. Das ist gewerkschaftsfeindlich, das ist einfach Union Busting! Das ist auch ein Skandal – insbesondere für einen „sozialen“ Träger. Ich lasse mir das aber nicht gefallen.

Ich lasse mir nicht gefallen, dass während der Berliner Senat in Neukölln Gelder für Soziales kürzt, für Anderes aber genug Geld da ist: 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. 3,75 Millionen für eine neue Polizeiwache am Kottbusser Tor. Für Taser, ein Stahlboot, Drohnen und Hubschrauber, für genau die Polizei, die Danny und so viele andere ermordet hat. Gelder, die für die Obdachlosenhilfe, die Suchthilfe oder das Putzen in den Schulen gebraucht werden. Knapp über 20 Millionen Euro sollten gestrichen werden, während ein einziger Panther-Panzer aktuell 17 Millionen Euro kostet.

Ich bin Kommunistin. Das heißt: Ich möchte eine Welt, in der wir alle gut leben können, ohne Rassismus, ohne Polizei und ohne Armut. Dafür bin ich organisiert und schreibe auch für die Zeitung Klasse Gegen Klasse, um möglichst viele Menschen erreichen zu können.

Zu schreiben hat mir auch gegen die Kündigung geholfen; das zu verarbeiten. Aber auch, dass verschiedene Zeitungen berichtet haben. Einige sind ja auch hier. Und mir hat geholfen, dass die GEW und die junge GEW mich unterstützen und bspw. die Kosten für meinen Anwalt übernehmen. Aber vor allem, dass es so, so mega viel Solidarität gab und gibt: Tausende von Unterschriften und Euro von Sozialarbeiter:innen, Erzieher:innen, Lehrer:innen, Gewerkschafter:innen, Politiker:innen, ganzen Initiativen und Betriebsgruppen, Professor:innen und Künstler:innen. Danke dafür und dass ihr heute hier seid. Ihr helft mir wirklich sehr!

Als Sozialarbeiterin kann und werde ich aber nicht nur für mich und meine Arbeitsbedingungen kämpfen. Ich kämpfe auch immer für die Menschen, für die ich verantwortlich bin. Und zwar nicht als Stellvertreterin oder Sprachrohr, sondern ganz konkret mit ihnen. Es sind nicht zufällig so viele verschiedene Menschen heute hier: Schüler:innen, Lehrkräfte, auch aus dem Lehrer:innenstreik – danke dafür, Eltern, Sozialarbeiter:innen, Schule Muss Anders, Aktivist*innen gegen Union Busting.

Ginge es nach dem Senat und dem Staat, würde meine Aufgabe vor allem darin bestehen, Menschen zum Funktionieren zu bringen, für den Arbeitsmarkt. Das ist in den allermeisten Bereichen der Sozialen Arbeit so. Da habe ich aber ehrlich gesagt keinen Bock drauf. Ich bin nicht bereit, eine Krise mitzuverwalten, die die Kapitalist:innen produziert haben und mich darum zu kümmern, dass ein total kaputtes System weiter funktionieren. Weil ich sehe, wie meine Kolleg:innen sich jeden Tag quälen. Wie sie versuchen, trotz Kürzungen einen Unterschied im Leben der Menschen, mit denen sie arbeiten, zu machen. Wie ich das auch gemacht habe. Ich liebe meine Arbeit. Die Schüler:innen und die Kolleg:innen sind mir echt ans Herz gewachsen und ich will so bald wie möglich wieder an der Kepler-Schule arbeiten.

Ich gehe davon aus, den Prozess zu gewinnen. Ich mein: So viele Leute heute sind hier; ich habe so viel Unterstützung bekommen. So viele haben in ihren Betrieben, in ihren Gewerkschafts- und/oder Politgruppen dafür gekämpft, dass sich der Kampagne um meinen Fall angeschlossen wird. Das zeigt: Kämpfen ist möglich. Und wir können und müssen uns wehren! Die Geschäftsführung wollte mich zum Schweigen bringen. Aber ich werde nicht schweigen. Ich habe keinen Grund, mich zu verstecken.

Es geht hier aber nicht nur um mich, es geht um eine Zeit, in der Krieg und Inflation uns alle hier direkt treffen. In der wir für Aufrüstung und Repression zahlen sollen. Unsere Antwort darauf kann nur sein, uns jetzt umso mehr zu organisieren, umso härter zu kämpfen. Den Bossen, aber auch dem Senat und dem Staat zu zeigen, dass sie mit uns rechnen müssen. Dass wir uns nicht herumschubsen lassen. Ich kämpfe für eine Gesellschaft, in der nicht Massen zum Sterben in reaktionäre Kriege geschickt werden, in der niemand fliehen muss und in der wir nicht jeden Cent umdrehen müssen, während die Rüstungsindustrie subventioniert wird. .

Mein Chef dachte, mit der Kündigung wird er mich los. Aber mit meiner Kündigung hat die tjfbg nur den Stein ins Rollen gebracht. Lasst uns also in diesem Sinne weiter kämpfen. Gegen meine Kündigung, aber auch gegen die Kürzungen, für Sozialarbeit und Bildung im Sinne der Schüler:innen, ihrer Familien und uns Beschäftigten.

Dankeschön!

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