C.L.R. James: Der Platz des Schwarzen ist in der Avantgarde

24.08.2020, Lesezeit 8 Min.
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Leo Trotzki und C.L.R. James (Illustration: Sou Mi)

C.L.R. James schrieb diesen Aufsatz 1939 für Socialist Appeal, die Zeitung der Socialist Workers Party (SWP). Der Zweite Weltkrieg hatte einen Monat zuvor begonnen. James sagte voraus, dass Schwarze Arbeiter*innen an der vordersten Front des revolutionären Kampfes für den Sozialismus stehen würden. 

DieArbeitinweißer Haut kannsichnichtdortemanzipieren, wo sie inschwarzer Haut gebrandmarktwird – Karl Marx

Der Platz des Schwarzens steht an der oberen Spitze der revolutionären Bewegung für den Sozialismus. Das ist der wichtigste theoretische Beitrag, den die Vierte Internationale und die Socialist Workers Party zu einem klaren und präzisen Verständnis zur Rolle des Schwarzens bei der Lösung der Schwierigkeiten geleistet haben, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist.

Während selbst die Kommunistische Partei in ihren revolutionären Tagen die Schwarzen im Wesentlichen als ein Anhängsel der revolutionären Bewegung betrachtete – aber dennoch wertvoll – sehen wir im Gegensatz dazu die Schwarzen an erster Stelle unter denen, die gegen die Verbrechen und Barbarei des kapitalistischen Systems kämpfen werden. Der Grund dafür liegt in der Natur der Position des Schwarzen in der kapitalistischen Gesellschaft selbst. Die am meisten ausgebeuteten, unterdrückten und diskriminierten Schwarzen sind diejenigen, die die überwältigenden Belastungen, die der Kapitalismus den Massen in jedem Land auferlegt, am schärfsten und unerträglichsten erleben. Schwarze müssen nicht in Büchern über den Betrug der kapitalistischen Demokratie lesen. Karl Marx und Lenin haben ihnen über diese Tatsache wenig beizubringen.

Vorurteile müssen überwunden werden

Diese Vorstellung von der Rolle des Schwarzens wurde bisher durch die rassischen Vorurteile verdunkelt, die der amerikanische Kapitalismus den verschiedenen Sektoren der Arbeiterklasse eingeimpft hat. Die revolutionäre Partei steht daher vor der enormen Schwierigkeit, diese Spaltung zu überwinden. So schwierig diese Aufgabe auch ist, es ist eine Schwierigkeit der Taktik und nicht der Strategie. Die wichtige Frage ist nicht so sehr die, die Schwarzen für die Revolution zu gewinnen, sondern den schwarzen Massen die Überzeugung einzuflößen, dass sie ihr Vertrauen und ihre Zuversicht in eine revolutionäre Partei setzen können, die größtenteils aus weißen Arbeitern besteht, wie es in der amerikanischen Gesellschaft unvermeidlich ist. Ist Aufgabe erfolgreich bewältigt, ist die Vierte Internationale zuversichtlich, dass die großen Massen der Schwarzen gegen Imperialismus aller Art mit einer Tapferkeit und Ausdauer kämpfen werden, die von keinem anderen Teil der Bevölkerung übertroffen werden wird.

Eine solche Verallgemeinerung, die von so tiefgreifender Bedeutung für die amerikanische Revolution und die Weltrevolution als Ganzes ist, wird am besten durch die Reaktion der Schwarzen auf große Ereignisse, wie zum Beispiel den gegenwärtigen Krieg, unter Beweis gestellt. Jeder, der in irgendeiner Weise mit Schwarzen in Kontakt steht, wird wissen, dass sie durch den Ausbruch des Krieges in Europa zutiefst aufgerührt wurden. In einer Reihe von Artikeln in dieser Kolumne werden wir die Position verschiedener Gruppen von Schwarzen zum Krieg untersuchen. Diese Position ist in vielerlei Hinsicht verwirrt und in mancher Hinsicht gefährlich. Am auffälligsten ist jedoch, dass sie von allen politischen und gesellschaftlichen Gruppen in Amerika auf den Schwindel, der imperialistische Krieg sei ein Krieg für die Demokratie gegen den Faschismus, am wenigsten hereingefallen sind. Aufgrund der harten Erfahrungen ihres eigenen Lebens und ihres Wissens um die Ausbeutung und die Demütigungen, die ihre Brüder in Afrika erdulden mussten, sehen sie die Realitäten des imperialistischen Konflikts viel klarer als viele andere Teile der amerikanischen Arbeiter, die besser organisiert sind und über mehr Bildung und Erfahrung in der Tagespolitik Amerikas verfügen. Was für den amerikanischen Schwarzen gilt, gilt auch für die Schwarzen überall.

Eine allgemeine Massenstimmung dieser Art erzeugt unweigerlich eine Plattform oder eine andere politische Organisation, einen politischen Ausdruck, der den Weg weist, auf dem die verwirrten, aber revolutionären Instinkte großer Massen in eine wirksame politische Realität umgewandelt werden können. Eine solche Organisation existiert bereits in der Vierten Internationale und ihren Sektionen in Amerika, Großbritannien, Afrika usw. Die Vierte Internationale drückt in ihrem Aufruf zum revolutionären Kampf gegen den Imperialismus diese Bestrebungen aus und zeigt den zukünftigen Weg für alle Arbeiter*innen, Weiße, Schwarze, Native Americans, egal welcher Hautfarbe, Rasse oder Glaubensrichtung.

Internationales Afrikanisches Dienstbüro

Aber es gibt Schwarze, die nicht der Vierten Internationale angeschlossen sind und die in der Kriegsfrage eine politische Position erreicht haben, die sie an die Seite der Vierten Internationale stellt. Sie sind sich bewusst, dass nichts anderes als der revolutionäre Sturz des Kapitalismus eine endgültige Lösung für die permanenten Lasten und das zusätzliche Leid, das der imperialistische Krieg den Schwarzen überall auferlegt hat, bringen kann. In Großbritannien hat eine Organisation von Schwarzen, bekannt als das International African Service Bureau, in den letzten Jahren eine breite Propaganda für die Unabhängigkeit Afrikas und die Emanzipation der Schwarzen betrieben. Diese Propaganda hat sich nicht auf Großbritannien beschränkt, sondern wurde in allen Teilen der Welt verbreitet, in denen Schwarze leben und leiden. Diese Schwarzen haben gesehen, dass die kolonialen Massen des Ostens Verbündete der Schwarzen sind, und es wurden Kontakte zu Organisationen in Indien und in Ceylon geknüpft. Die Arbeit des Büros wurde von verschiedenen industriellen und politischen Organisationen der britischen Arbeiter unterstützt, die in geringerem oder größerem Maße erkennen, wie lebenswichtig für ihre eigene Emanzipation die Emanzipation des Schwarzen Volkes in der ganzen Welt ist. In der Krise über die Tschechoslowakei rief das Büro die Afrikaner und die britischen Arbeiter auf, in Einheit gegen die imperialistische Lüge vom „Krieg für Demokratie“ zu kämpfen. Und mit dem Herannahen dieses Krieges gab das Büro ein weiteres Manifest mit dem Titel „Eine Warnung an die Kolonialvölker“ heraus, das in einer anderen Kolumne veröffentlicht wird. Das Manifest ruft die kolonialen Massen in Afrika, in Indien, in Burma, in Ceylon auf, gegen die Kriegshetzer zu kämpfen, die sowohl faschistisch als auch „demokratisch“ sind. Es appelliert an die britischen Arbeiter, das Gleiche gegen den gemeinsamen Feind – den Imperialismus – zu tun.

Der Kampf gegen den Krieg ist international

Dieses Manifest ist von enormer Bedeutung und muss von allen Arbeitern in Amerika, Schwarzen und Weißen, genau studiert und aufgenommen werden. Vor allem die Schwarzen müssen erkennen, dass es ihre Pflicht ist, der Führung zu folgen, die eine Gruppe ihrer Brüder, die in Großbritannien, dem Herzen des britischen Empire und der imperialistischen Weltreaktion, so klar und mutig gegeben hat. Heute ist der Kampf gegen den Krieg international, und das Manifest des Präsidiums hat nicht nur an die Schwarzen appelliert, sondern an alle Arbeiter in den Kolonien und in Europa. Es ist unmöglich, eine zweideutige Position zum Krieg einzunehmen. Man muss entweder für die Imperialisten und für den Krieg sein, oder gegen die Imperialisten und gegen den Fortbestand ihres Systems, das unweigerlich zum Krieg führt. Das Manifest sagt klar und einfach: Die Kolonialisierten und die weißen Arbeiter sind gegen den Krieg.

Es ist von großer Bedeutung, dass uns dieses Manifest gerade in dem Moment in die Hände fällt, in dem unsere Artikelserie zum Thema „Schwarze und Krieg“ in dieser Rubrik des Socialist Appeal zu einem Abschluss gekommen ist. Diese Serie wird in wenigen Tagen als 32-seitiges Pamphlet unter dem Titel „Warum Schwarze sich dem Krieg widersetzen sollten“ neu aufgelegt werden. Schwarze aller Schattierungen der politischen Meinung müssen diese Broschüre sorgfältig studieren, sie mit dem Manifest des Internationalen Afrikanischen Dienstbüros vergleichen und erkennen, wie das Bewusstsein der Unterdrückung und ein Einblick in die Mechanismen der modernen Gesellschaft unweigerlich zu der einen Schlussfolgerung führt: dass alle Arbeiter, welcher Ethnie auch immer, sich im revolutionären Kampf gegen die imperialistischen Kriegshetzer, seien sie nun faschistisch oder „demokratisch“, vereinen müssen. Die Broschüre „Warum Schwarze sich dem Krieg widersetzen sollten“ und das Manifest „Eine Warnung an die kolonialen Völker“ sind Ereignisse von großer Bedeutung bei der politischen Herausbildung des Instinkts der Schwarzen für den revolutionären Kampf.

Quelle: Socialist Appeal, Band III Nr. 76, 6. Oktober 1939 / Abschrift: Marxists Internet Archive / Geschrieben als J.R. Johnson

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