„Gesichert rechtsextremistisch“: AfD-Verbot jetzt?

28.05.2025, Lesezeit 15 Min.
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Foto: Corinna Haselmayer

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Trotz der temporären Rücknahme der Veröffentlichung wird der Ruf nach einem Parteiverbot lauter. Während Grüne und Teile der Linkspartei auf ein Verbot drängen und die CDU-Spitze versucht, die Debatte zu blockieren, stellt sich für Antifaschist:innen eine grundsätzliche Frage: Können wir im Kampf gegen Rechts auf den bürgerlichen Staat und seine Institutionen setzen, oder braucht es eine andere Strategie?

Am Freitag, den 2. Mai, gab das Bundesamt für Verfassungsschutz zunächst bekannt, dass es die Alternative für Deutschland (AfD) als „erwiesen rechtsextremistische“ Partei eingestuft habe, da das von der Partei propagierte „ethnisch begründete Volksverständnis“ mit der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar“ sei. Mit dieser Entscheidung wurde die bereits erfolgte Einstufung der Jugendorganisation der AfD, der Jungen Alternative sowie der Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf die gesamte Partei ausgeweitet.

Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla verurteilten die ursprüngliche Einstufung als „schweren Schlag für die deutsche Demokratie“. Auch aus den USA kam die erwartbare Rückendeckung von der trumpistischen Rechten, die die AfD bei den Bundestagswahlen im Februar dieses Jahres unterstützt hatte. So sprach Vize-Präsident JD Vance auf X von einem „Wiederaufbau der Berliner Mauer“, während Marco Rubio Deutschland eine „verkleidete Tyrannei“ vorwarf: Demagogische und heuchlerische Angriffe von Politikern, die die Institutionen der herrschenden Klassen nur dann kritisieren, wenn sie mit ihren Interessen kollidieren.

Der Verfassungsschutz hatte seine Einschätzung unter anderem mit der „insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei“ begründet. Man warnte davor, dass „die anhaltende Hetze gegen Flüchtlinge oder Migranten die Verbreitung und Vertiefung von Vorurteilen, Ressentiments und Ängsten gegenüber dieser Personengruppe begünstigt“. Diese Einordnung verharmlost jedoch die reale Agenda der Partei: Die AfD fordert Massendeportationen, bezieht sich offen auf den Nationalsozialismus und ein führender Parteifunktionär wurde 2023 verurteilt, weil er bei einer Kundgebung die Naziparole „Alles für Deutschland“ verwendet hatte.

Dass die AfD Teil der extremen Rechten ist, ist jedem links der CDU seit mehreren Jahren bekannt, nun ist auch der Verfassungsschutz offiziell zu diesem Schluss gelangt. Dieser löschte diese Einschätzung allerdings wenige Tage später wieder von seiner Website. Bundesweit gingen tausende Menschen auf die Straße, um für ein Verbot der Partei zu demonstrieren. 

Doch nachdem die AfD gegen diese Einschätzung Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht hatte, ruderte der Verfassungsschutz zurück: „Aus Respekt vor dem Gericht“ wolle man die Einstufung bis zu einem Urteil vorerst nicht öffentlich wiederholen. Innenminister Alexander Dobrindt versicherte außerdem, dass Beamte, die AfD-Mitglieder seien, nichts zu befürchten hätten. Dennoch bleibt die Debatte um die Überwachung und mögliche Konsequenzen für die Partei hochaktuell. Mit der ursprünglich angekündigten Entscheidung hatte sich der Nachrichtendienst einseitig weitreichende Ermittlungs- und Spionagebefugnisse gegenüber Parteimitglieder:innen eingeräumt, darunter das Abhören, das Anwerben von Informant:innen sowie Disziplinarverfahren gegen Beamt:innen, die der AfD angehören.

Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Verfassungsschutz nicht verlassen

Dieser schnelle Rückzug des Verfassungsschutzes ist nicht weiter verwunderlich. Während er als ein mehr oder weniger neutraler Hüter der Demokratie verkauft wird, ist er der Inlandsgeheimdienst der BRD, der nach dem Zweiten Weltkrieg von strammen Nazis zur staatlichen Überwachungsstelle von Linken und Oppositionellen aufgebaut wurde. Bis vor wenigen Jahren wurde der Verfassungsschutz vom extrem-rechten Hans Georg Maaßen angeführt. Das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) war eng mit dem Verfassungsschutz verwoben und ein “Verfassungsschützer” war anwesend, als Halit Yozgat ermordet wurde, will aber nichts gesehen haben. 

Wir können dem Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechts keinen Meter weit vertrauen. Doch kann diese Einschätzung eine Grundlage für ein Verbotsverfahren bieten, das die AfD endgültig beseitigt? Das ist die Diskussion, die nun in progressiven Teilen der Gesellschaft geführt wird. Vor rund zwei Wochen kam es zu vielen Demonstrationen, die ein AfD-Verbot forderten. Auch führende Politiker:innen der Linkspartei, wie Heidi Reichinnek, fordern nun ein Verbot und nehmen dabei positiven Bezug auf die „wehrhafte Demokratie“, die nun mit rechtlichen Mitteln gegen die extreme Rechte vorgehen solle. Auch Jan van Aken verändert seine Position bezüglich eines Verbots. Seine Position war bisher, dass rechtes Gedankengut durch ein Verbot nicht verschwinden könne und man deswegen die sozialen Ursachen des Aufstiegs der AfD verstehen und angehen müsse. Nun sieht er eine doppelte Strategie als nützlich an. Auf der einen Seite braucht es das Verbotsverfahren, aber gleichzeitig müsse man die sozialen Ursachen des AfD-Aufstiegs angehen, zusammengefasst in der Parole: Antifa heißt Wohlfahrtsstaat. 

Die Hoffnung, die einige in den Verbotsprozess hegen, ist, dass er der AfD durch Streichung von Geldern, öffentlicher Präsenz und parlamentarischer Legitimation den Boden entziehen könnte. Das sollte dann dazu führen, dass die AfD weniger Präsenz in sozialen Medien sowie öffentlichkeitswirksamen Talkshows bekommt. Doch ein Parteiverbot allein wird den Rechtsruck nicht stoppen, es könnte ihn sogar befeuern. Die AfD stilisiert sich schon heute erfolgreich als Anti-Establishment-Partei. Ein Verbot könnte genau dieses Selbstbild bestätigen und sie stärker an das internationale Netzwerk der extremen Rechten anbinden, insbesondere an die US-amerikanische Rechte rund um Donald Trump. Es ist kein Zufall, dass AfD-Funktionäre immer wieder Kontakt zu Figuren wie Steve Bannon suchen oder Unterstützung durch rechte US-Milliardär:innen erhalten.

Als Partei des Kapitals verfügt die AfD über enge Verbindungen zu Unternehmer:innen und Großspender:innen. Beatrix von Storch ließ jüngst durchblicken, dass sie sich durch die Einstufung als rechtsextrem sogar höhere Spenden verspricht. Das Kapital wird dann noch eher die AfD als die wahre Opposition ansehen, die es zur Wahrung ihrer eigenen Interessen zu unterstützen gilt, eben auch mit Parteispenden. 

Was also tun? Mit seinen früheren Aussagen hatte van Aken Recht: Man muss die Ideen und die sozialen Ursachen der AfD bekämpfen, nicht nur ihre Parteistruktur. Rechte Gesinnung verschwindet nicht mit einem Verbot. Doch ebenso falsch ist es, den Kampf gegen Rechts auf eine rein ökonomistische Strategie zu verkürzen, wie es etwa die Linkspartei nahelegt. Dort herrscht die Vorstellung, dass eine reine „Brot und Butter“-Politik,  also das Stillen der dringendsten wirtschaftlichen Bedürfnisse, während Fragen der Unterdrückung und der Eigentumsverhältnisse ausgeklammert werden, den Nährboden für die AfD entzieht. Aber wer nur den Status quo besser verwalten will, verwaltet letztlich auch die Bedingungen, unter denen rechte Kräfte gedeihen.

Hinzu kommt, dass in einer Medienlandschaft, die von Konzernen wie Meta (Facebook, Instagram) oder X (ehemals Twitter) kontrolliert wird, keine neutrale oder gar linke „Deplattformierung“ zu erwarten ist. Elon Musk hat nicht nur mehrfach öffentlich mit der AfD sympathisiert, sondern seine Plattform für bekannte Faschisten wie Andrew Anglin geöffnet, alles im Namen der sogenannten Meinungsfreiheit. Auch Mark Zuckerberg, Chef von Meta, hat im Zuge seiner Annäherung zum Trump-Regime deutlich gemacht, dass seine Plattform nicht die Absicht hat, rechte Inhalte zu blockieren.

Integration der AfD 

Ironischerweise kann das Verbotsverfahren gegen die AfD genau das Gegenteil bedeuten. Das reale Problem, das die bürgerliche Demokratie mit der AfD hat, sind nicht ihre fremdenfeindliche, frauenfeindliche, anti-queere Politik, ihre Leugnung des Klimawandels und schon gar nicht ihre neoliberale Politik. Die SPD, Grüne und Linkspartei bemühten sich vor einigen Wochen schnell, eine stabile Regierung um Friedrich Merz zu bilden, ein ehemaliger Blackrock-Banker, der ein offener Feind der Arbeiter:innen, Migrant:innen, Frauen und Jugend ist. Das Problem ist vielmehr, dass das System in Deutschland darauf ausgelegt ist, über Kompromisse und Deals verschiedene Ausschüsse und andere Gremien zu besetzen, was zunehmend schwerer wird, wenn ein Fünftel der Stimmen an eine Partei geht, die von diesen Absprachen ausgeschlossen wird. In Ostdeutschland ist die Repräsentationskrise voll ausgeprägt und der einzige Ausweg, den die bürgerliche Demokratie hat, ist die AfD zu integrieren.

Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem und auch ein Verbotsverfahren kann genauso wie die Einstufung und die Auflösung der jungen Alternative eine Möglichkeit schaffen, dieses Problem zu beheben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verbotsverfahren tatsächlich erfolgreich ist, ist gering, da die rechtlichen Hürden dafür sehr hoch sind. Hauptsächlich kann es die Partei disziplinieren. Es kann der AfD eine Ausrede geben, ihre offen faschistischen Teile auszuschließen oder besser zu verstecken, ohne die Verbindungen zur faschistischen Rechten zu kappen und ähnlich wie Marie Le Pen einen Imagewechsel durchzuführen, um anschlussfähig für die restlichen Parteien zu sein. Sie würde dadurch einer möglichen Koalition mit der Union näherkommen. 

Maßnahmen gegen Links

Dass der bürgerliche Staat in der aktuellen Situation überhaupt gezwungen ist, mit verschärften Zwangsmaßnahmen auf den Aufstieg einer offen rechtsextremen Partei mit millionenfacher Wählerbasis zu reagieren, offenbart weniger seine Stärke als vielmehr eine tiefe strukturelle Krise. Die autoritäre Wende, die sich dabei abzeichnet, ist Ausdruck einer bonapartistischen Tendenz: Der Staat präsentiert sich zunehmend als über den Klassen stehende Instanz, die angeblich im Namen des „allgemeinen Wohls“ und der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ handelt, dabei aber vor allem repressiv eingreift, um die bestehende Ordnung gegen jede Form gesellschaftlicher Infragestellung zu sichern.

Diese Entwicklung darf jedoch nicht als bloße Abwehr rechter Gefahr missverstanden werden. Der Rückgriff auf Institutionen wie den Verfassungsschutz, historisch gewachsen als reaktionäres Bollwerk gegen alles, was die herrschenden Ordnung gefährdet,  zeigt: Die Mittel, die heute gegen Rechts eingesetzt werden, sind morgen schon gegen links gerichtet. So war es schon seit der Entstehung des Verfassungsschutzes: Nach dem Verbot der SRP, die als Nachfolgepartei der NSDAP fungierte, Anfang der 1950er war das nächste Ziel die KPD. Wer also heute applaudiert, wenn staatliche Organe gegen Rechte vorgehen, ohne den Charakter und die Interessen dieses Staatsapparats zu hinterfragen, bereitet den Boden für eine Repression, die sich morgen gegen soziale Bewegungen, Gewerkschaften und Kommunist:innen richten wird. Die Geschichte zeigt, dass der bürgerliche Staat keine neutralen Institutionen kennt, wenn es darum geht, seine Macht zu schützen. 

Für einen unabhängigen Kampf gegen Rechts

Ein Verbot mag kurzfristig attraktiv erscheinen, aber es ersetzt nicht den politischen Kampf. Die AfD gedeiht im Vakuum echter Opposition. Wer den Aufstieg der AfD wirklich aufhalten will, braucht eine linke Kraft, die nicht nur mit Populismus von Links einen etwas sozialeren Kapitalismus verspricht. Sondern die antirassistisch, antifaschistisch und antiimperialistisch handelt und gegen die Kapitalist:innen vorgeht, die für die Armut und Spaltung verantwortlich sind. Den Kampf gegen Rechts gewinnt man nicht durch juristische Verfahren, sondern durch Klassenkampf. 

Dass sich die Linkspartei auch in der Opposition immer wieder der Logik staatlicher Verantwortung unterordnet, zeigt ihre Haltung zu Aufrüstung und zum Genozid in Gaza. Eine Partei, die selbst angesichts von wachsendem Militarismus nicht bereit ist, konsequent Stellung zu beziehen, kann keine glaubwürdige antifaschistische Kraft sein. Der Slogan „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“, so richtig seine soziale Komponente ist, bleibt unvollständig. Dass der Aufstieg der Rechten sich durch die mangelnde Abfederung von sozialen und ökonomischen Unsicherheiten erklärt, ist nur ein Teil der Wahrheit. Sie führt zum Schluss, dass das beste Mittel gegen Rechts moderate soziale Reformen seien. Der Rechtsruck speist sich nicht nur aus sozialer Unsicherheit, sondern auch aus einer autoritären Formierung des Staates selbst. Die nationalistische Zuspitzung der Außenpolitik, die ideologische Aufrüstung gegen „innere Feinde“ und die Bereitschaft, demokratische Rechte im Namen der Staatsräson auszuhebeln, gehen Hand in Hand. 

Arbeiter:innen und Jugendliche sollen durch sinkende Reallöhne und längeres Arbeiten die gefährdeten Profite der Kapitalist:innen ausgleichen, mit Sozialkürzungen für die massive Aufrüstung aufkommen und in größerer Zahl als bisher, vielleicht bald verpflichtend, der Bundeswehr dienen. Es ist wichtig, den Rechtsruck in diesem Sinne zu verstehen, da dieser nicht als spontane Reaktion von ungebildeten Arbeiter:innen und Armen auf sinkenden Lebensstandards entsteht, sondern als bürgerliches Herrschaftsinstrument zur Spaltung der Arbeiter:innenklasse dient. 

Als radikalster Ausdruck dieses Prozesses bietet die AfD gleichzeitig eine Scheinalternative zur neoliberalen Verarmungspolitik, die aber alle Errungenschaften der Arbeiter:innenbewegung zurückdrehen will. Eine linke Strategie, die auf parlamentarische Einbindung in die Logik der „Einheit aller Demokrat:innen“ setzt, läuft ins Leere. Die bürgerlichen Kräfte, auf deren Einbindung die Linkspartei hofft, tragen selbst die Verantwortung für die Ursachen des Rechtsrucks: Kriegspolitik, Sozialabbau, massive Repression der Palästinabewegung und ein repressives Migrationsregime. Dass sie derzeit keine Koalition mit der AfD eingehen, heißt nicht, dass sie es im Ernstfall nicht tun würden, wenn es der Sicherung ihrer Macht dient. Besonders in der CDU/CSU werden die Stimmen, die eine Normalisierung der Zusammenarbeit mit der AfD fordern, immer lauter.

Statt auf Bündnisse mit diesen Kräften zu setzen, braucht es eine Perspektive der Selbstorganisierung: eine klassenkämpferische Antwort, die auf die Einheit der Arbeiter:innenklasse, der Jugend und der Unterdrückten zielt – jenseits nationalistischer Spaltungen, jenseits parlamentarischer Scheinlösungen oder dem Vertrauen auf bürgerliche Parteien. Der Kampf gegen Rechts muss sich gegen die Aufrüstung richten, gegen die Unterstützung genozidaler Regime, gegen Rassismus, gegen Einschränkungen demokratischer Rechte und gegen jede Form ökonomischer Ausbeutung. Wenn Ines Schwerdtner sagt, „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“, dann sagen wir: „Antifa heißt Antimilitarismus, Palästinasolidarität und Klassenkampf“. 

Deshalb setzen wir Revolutionär:innen auf den Aufbau von Strukturen der Selbstorganisation, in denen die betroffenen Sektoren gemeinsam über ihre Forderungen und Strategien entscheiden. Nur durch Streiks, Blockaden und Massenmobilisierungen können wir den Rechtsruck wirksam bekämpfen. Wir stehen dabei Seite an Seite mit allen, die die extreme Rechte wirklich aufhalten wollen, auch mit kämpferischen Mitgliedern der Linkspartei und fordern die Führung der Linken dazu auf, tatkräftig die Mobilisierungen zu unterstützen. 

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