Frontex veröffentlicht Abschiebe-Kinderbuch

In einer Zeit, in der man glaubt, schlimmer kann es nicht werden, hat Frontex, die EU-Grenzschutzpolizei, ein Kinderbuch veröffentlicht, das abzuschiebenden Kindern Abschiebungen „verschönern“ soll.
Mit Wörtern wie „Rückreise“ und „Umzug“ will Frontex Abschiebungen für Kinder „vereinfachen“. In keinem Satz in diesem 169-seitigen Kinderbuch wird „Abschiebung“ verwendet, stattdessen Floskeln wie „der Umzug in das Heimatland deiner Eltern kann natürlich schwer sein“. Alles wird extra aus der Du-Perspektive geschrieben, damit sich die Kinder auch bloß sichergehen können, dass sie wirklich abgeschoben werden. Hier paar Passagen aus dem besagten Kinderbuch:
Denken Sie daran, dass sich Kinder wohlfühlen, wenn sich ihre Familie wohlfühlt. Achten Sie auf sich, sodass Sie sich um Ihre Kinder kümmern können. (Seite 5)
Die meisten Abschiebungen finden gewaltsam statt. ProAsyl schreibt in einem Artikel darüber, wie traumatisierend die Erfahrungen für Abgeschobene sind, noch bevor sie in ihrem Heimatland ankommen oder gar einen Abschiebebescheid erhalten. Einige versuchen, sich während der Maßnahmen selbst zu verletzen, viele werden von der Polizei niedergeschlagen und gewaltsam in Abschiebehaft gebracht, wo sie unter unwürdigsten Bedingungen auf ihren Abschiebeflug warten sollen. Wohlwissend, wie Abschiebungen ablaufen, den Eltern eines Kindes in einem der makabersten Kinderbücher der Menschheitsgeschichte zu erklären, dass sie sich „wohlfühlen“ müssen, damit sie sich um ihre Kinder kümmern können, ist nicht nur eine Frechheit – es ist regelrechtes Niedertrampeln jeglicher Menschenwürde.
Bevor Du mit Deiner Familie in Dein Heimatland zurückkehrst, bleibst Du möglicherweise zusammen mit anderen Familien, die auf ihre Abreise warten, in einer Einrichtung. […] Möglicherweise darfst Du die Einrichtung verlassen, vielleicht aber auch nicht. (Seite 14)
Diese besagte Einrichtung nennt sich Abschiebezentrum. Dort sind mehrere Familien auf engstem Raum zusammengepfercht und verharren dort, bis ihr Abschiebeverfahren abgeschlossen ist und sie in ihr Herkunftsland deportiert werden. In Berlin beispielsweise wird solch ein Abschiebezentrum gerade neu gebaut – direkt am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER). Das soll Abschiebungen direkt bei Ankunft ermöglichen, wenn Menschen per Flugzeug einreisen und gleichzeitig auch verhindern, dass Aktivist:innen und solidarische Menschen sich gegen diese Abschiebung durch zivilen Ungehorsam wehren können. Der Weg zum Flugzeug wird absichtlich kurz und streng gesichert gehalten.
Möglicherweise fahren eine oder mehrere Begleitpersonen im Bus mit. […] Sie sind da, um Dir zu helfen. Das ist ihre Aufgabe. (Seite 16)
Man muss sich schon fragen, wie fragwürdig man die eigenen Beamten findet, wenn man sich nicht einmal traut, ihre Berufe klar zu benennen. Dass man hier nicht direkt „Polizist:innen“ schreibt, liegt daran, dass sie ganz genau wissen, dass migrantische Jugendliche und Kinder vermutlich wenig gute Erfahrungen mit dem Thema Polizei gemacht haben – erst recht, wenn man ein Kind oder Jugendlicher in Brennpunktschulen ist, in Randbezirke gedrängt lebt oder allein schon mit der „falschen“ Hautfarbe zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Die Bullen sind in erster Linie natürlich nicht da, um Kindern ihre Fragen zu beantworten, sondern um eine reibungslose Abschiebung ohne Gegenwehr zu gewährleisten. Und wenn es zu Gegenwehr kommt – was in solchen psychisch krass belastenden Situationen die selbstverständlichste Reaktion ist –, dann prügeln sie auch vor den Kindern auf Eltern und Geschwister ein, wenn nicht gar auf die Kinder selbst. Das ist ihre wirkliche Aufgabe.
Auf 169 Seiten kann man mehr als genug menschenfeindliche Dinge lesen, wie die oben beschriebenen Aussagen. Frontex versucht damit, Abschiebungen zu normalisieren und sich als friedliche Instanz, die einfach nur „Menschen in die Heimat schickt“, inszenieren. Aber wir wissen nur zu gut, was Frontex wirklich ist: Eine Tötungsmaschinerie unter direkter Führung der Europäischen Union. Zehntausende Menschen sterben jedes Jahr im Mittelmeer, unter anderem wegen illegaler Pushbacks durch Frontex. Und in einer Zeit, in der nahezu alle europäischen Regierungen zunehmend rechter werden, wird auch Frontex noch repressiver werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass aus den Zehntausenden bald Hunderttausende jedes Jahr werden.
Frontex muss zerstört und die Grundfeste Europas eingerissen werden. Solange es Grenzen gibt, solange wird es rassistische Asylgesetze geben und solange werden Institutionen wie Frontex freie Hand haben, unzählige Leben im Mittelmeer zu töten. Die Festung Europa muss fallen, damit Frontex beendet und Hunderttausende Menschenleben gerettet werden können. Das heißt auch, bereits jetzt gegen jede Abschiebung zu sein und für ein Bleiberecht für alle einzustehen.
No borders, no nations – stop deportation.