„Disput mit Nachbarn“: Indigener Schauspieler queerfeindlich getötet

Jonathan Joss, ein queerer Schauspieler, wurde in Texas von seinem Nachbarn kaltblütig erschossen. Trotz Vorgeschichte und klarer Beweise schließt die Polizei ein queerfeindliches Motiv aus.
Jonathan Joss, besser bekannt als Synchronsprecher von John Redcorn in King of the Hills, einer US-Animationsserie, wurde gestern an seinem alten Haus vor den Augen seines Partners Tristan Kern de Gonzales, einer trans Person, mit mehreren Schüssen aus einer Pistole getötet. US-Nachrichtenmedien und das Texas Police Department sprechen von einem „Disput mit dem Nachbarn“ – und stellen es als beidseitige Streitigkeit dar. Dabei beweisen Vorgeschichten das genaue Gegenteil.
Das Haus, das Jonathan und Tristan besuchten, war das alte Haus von Jonathan, das im Januar von Unbekannten in Brand gesetzt wurde und komplett abgebrannt ist. Als sie es erneut besuchten, fanden sie nicht nur die übrigen Trümmer vor, sondern noch grausamer: Als sie den Briefkasten an der Straße checken wollten, fanden sie darin den Schädel eines ihrer Hunde, die sie bei dem Brand verloren hatten, eingewickelt in das Hundegeschirr mit dem Namen des Hundes darauf. Beide waren entsetzt und konnten verständlicherweise ihre Emotionen nicht bändigen. Sie trauerten laut. Etwas, das kein Mensch ihnen verdenken könnte – außer dem Mörder.
Dieser kam in jenem Moment vorbei und schrie sie an, beleidigte sie mit queerfeindlichen Wörtern und Aussagen. Im nächsten Moment schoss er auf Jonathan und tötete ihn. Obwohl Jonathan und Tristan über zwei Jahre lang bedroht wurden und wegen der Brandstiftung ihr Haus verlassen mussten, geht die untersuchende Polizei in Texas nicht von einem queerfeindlichen Motiv aus. Ihre genaue Erklärung (übersetzt aus dem Englischen) lautet:
Trotzdessen, dass online behauptet wird, dass es sich um ein Hassverbrechen handele, haben die aktuellen Untersuchungen keine Beweise gefunden, die belegen, dass der Mord an Herr Joss mit seiner sexuellen Orientierung zu tun hat.
Dass sie kein Interesse daran haben, die wahre Natur dieses besonders abscheulichen Mordes aufzuklären, ob nun queerfeindlich oder rassistisch, beweist die Mordstatistik durch die Polizei von Mapping Police Violence: Letztes Jahr wurden 1.370 Personen, mehrheitlich Schwarze und Indigene Menschen, von der Polizei getötet. An 354 von 365 Tagen wurden im Durchschnitt vier Personen pro Tag getötet. In 2025 sieht es nicht ansatzweise besser, sondern bisher noch schlimmer aus: An 155 Tagen seit dem 1. Januar gab es sage und schreibe einen einzigen Tag, an dem noch niemand getötet wurde. An allen anderen Tagen wurden durchschnittlich drei Personen getötet – am 5. Mai sogar zehn!
Wundern tut es niemand: Die Polizei in den USA ist weltweit eine der Institutionen, in die am meisten Geld investiert wird und die mitunter die meisten Berechtigungen haben. Nur das Militär bekommt mehr Geld. Beides ist Teil einer weltweiten Aufrüstungskampagne der Regierungen, die immer rechter und immer autoritärer werden. Diese Entwicklung sehen wir auch direkt hier in Deutschland, wo deutsche Polizist:innen zuletzt Lorenz erschossen haben und regelmäßig hunderte Demonstrierende auf Palästinaprotesten grün und blau schlagen. Hierzulande wird auch klar und deutlich von Kriegstüchtigkeit gesprochen und der Bundeswehr wurde mit einem neuen Gesetz eine Investition eröffnet, die Hunderte Milliarden bis hin zu über einer Billionen betragen könnte: Eine klare Grenze dafür gibt es mit dem neuen Gesetz nicht.
Jonathan Joss ist nicht nur ein weiterer Name auf einer ellenlangen Liste von queerfeindlichen Morden. Jonathan ist auch ein weiteres Beispiel, wie die extreme Rechte parlamentarisch Vorurteile und Lügen über queere Menschen und Migrant:innen verbreitet, so dass die Gesellschaft selbst immer rechter wird und aufgrund dieser Spalterei ihren Feind in der eigenen Klasse sieht und nicht bei denjenigen, die diese Feindbilder überhaupt erst erschaffen.
Nicht die Migrant:innen, die trans Personen, die erwerbslosen Menschen oder die Obdachlosen sind unser Feind, sondern die, die uns gegenseitig zu Feinden machen. Rassismus und Queerfeindlichkeit muss mit allen Kräften bekämpft werden, doch dieser Kampf kann nur gleichzeitig mit dem Kampf gegen das kapitalistische System geführt werden, dessen Diener:innen uns gegeneinander ausspielen. Das soll keine Verantwortung an dem Mörder von Jonathan wegnehmen: Ganz im Gegenteil, wir müssen uns selbst die Aufgabe in die Hand nehmen, diesen Mordfall aufzuklären, unabhängig vom Staat und seinen migrations- und queerfeindlichen Gesetzen. Nur unabhängige Kontrollkommissionen aus Angehörigen, Arbeiter:innen und Studierenden können solche Mordfälle zweifelsfrei aufklären und sogar in vielen Fällen verhindern. Auch Gewerkschafter:innen, die das Funktionieren einer gesamten Gesellschaft durch ihre Unabdingbarkeit für die Weltwirtschaft in der Hand haben, müssen Teil dieser Kommissionen sein, um auch ein Kampfmittel in der Hand zu haben gegen diese Politik, die solche Morde überhaupt erst ermöglicht und befeuert.