CFM: Nach dem TVöD ist vor der Rückführung

19.06.2025, Lesezeit 15 Min.
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Foto: Elaine Toszka/KGK

Das erste Ziel ist geschafft: Die Beschäftigten der Charité Facility Management bekommen 100 Prozent TVöD. Nach 14 langen Jahren des Kampfes ein riesiger Erfolg! Wie geht es nun weiter mit der Rückführung?

Nach beeindruckenden 48 Tagen Streik konnten die Streikenden der Charité Facility Management (CFM, eine Tochterfirma der Charité-Universitätsklinik) einen Erfolg erlangen, der ihnen über ein Jahrzehnt lang von den Bossen verwehrt wurde: Die Beschäftigten bekommen stufenweise bis 2030 eine 100-prozentige Angleichung an die Entgelttabelle des TVöD. Das heißt, am Ende dieses Stufenplans gilt für den Grundlohn an der Charité endlich das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Bereits 2011 hatten die CFM-Beschäftigten mehr als zwei Monate gestreikt, damals leider größtenteils erfolglos, bis auf einige wenige Gehaltserhöhungen.

Für die Beschäftigten ist das Ergebnis natürlich erstmal eine gute Nachricht. Denn die Aufnahme in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienst (TVöD) war eine ihrer beiden Hauptforderungen. Die Angleichung an die TVöD-Entgelttabelle bedeutet nicht nur, dass die riesige Gehaltslücke von über 1.000 Euro brutto im Vergleich zu den direkten Angestellten bei der Charité endlich geschlossen wird, sondern auch, dass sie bei kommenden Lohnstreiks mitstreiken dürfen – bestenfalls zusammen mit tausenden ver.di-Gewerkschafter:innen an den Berliner Krankenhäusern. Die CFM-Kolleg:innen haben nun bis zum 4. Juli Zeit, für oder gegen die Annahme des Verhandlungsergebnisses zu stimmen.

Dieser Erfolg ist einzig und allein der Kampfkraft von hunderten Streikenden zu verdanken, die sich Tag für Tag zum Streik bereit erklärten und die Arbeit niederlegten. Einige Beschäftigte der Charité selbst, aber auch der Berliner Stadtreinigung BSR, der Berliner Bäderbetriebe BBB, der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG und vielen weiteren Betrieben solidarisierten sich mit dem Streik und besuchten ihn regelmäßig. Das Bündnis „Berlin Steht Zusammen“ organisierte Veranstaltungen mit den CFM-Beschäftigten, das Kollektiv „Gesundheit Statt Profite“ sogar eine Spendenkampagne, die über 50.000 Euro an Spenden einbrachte. Auch wir als Revolutionäre Internationalistische Organisation mit unserer Zeitung Klasse Gegen Klasse und unserer Hochschulgruppe Waffen der Kritik beteiligten uns an der Streikkasse und sammelten bei Antikriegsversammlungen und auf einer Palästinademo in München Spenden für die CFM-Beschäftigten. Außerdem besuchten wir Beschäftigte am Standort Charité Benjamin Franklin über mehrere Wochen hinweg und letztendlich veranstalteten wir gemeinsam eine Diskussionsveranstaltung an der Freien Universität Berlin, wo vier der Beschäftigten sprechen konnten. An diesem Streik konnte man gut erkennen, wie kraftvoll Solidarität ist und wie gut sie funktionieren kann, wenn alle am selben Strang ziehen.

Aber was ist mit den restlichen Forderungen?

Leider konnten nicht alle Forderungen durchgesetzt werden. Zwar wurde die Angleichung an die stufenweise TVöD-Entgelttabelle im Zeitraum der kommenden 4,5 Jahre erkämpft, die Eingliederung in den Manteltarifvertrag, der alle weiteren Arbeitsbedingungen wie Urlaub, Sonderzahlungen und weiteres regelt, lehnten die Bosse jedoch bis zuletzt ab. Gleiches gilt für die zweite Hauptforderung, nämlich die vollständige Rückführung in den Mutterkonzern Charité. Obwohl die Beschäftigten diese Forderung bei jeder Streikkundgebung und -demonstration aufstellten und bewarben, so ist die Verhandlungsführung den Kompromiss eingegangen, nur noch die Aufnahme in den TVöD zu priorisieren. Dass die Geschäftsführungen der CFM und der Charité sich konsequent gegen diese Forderung quergestellt haben, mag eine große Rolle gespielt haben und es ist auch anzunehmen, dass die Verhandlungsführung der Beschäftigten nicht das Risiko eingehen wollte, die gesamten Verhandlungen platzen zu lassen. Nichtsdestotrotz ist es ein Rückschlag für die Arbeiter:innenrechte, dass sie weiterhin outgesourct arbeiten und willkürlichen Angriffen der CFM-Bosse ausgesetzt sein werden. Diese haben schon beim Streik mehrfach bewiesen, dass er sich nicht zu schade ist, die Polizei auf die Streikenden zu hetzen, sie gegeneinander aufzuspielen und durch kleine Einmalzahlungen für wiederaufgenommene Arbeitstage die Streikmoral zu brechen.

Die Forderung der Rückführung in den Mutterkonzern ist in jeder Hinsicht zentral: Erstens gelten dann die gleichen Rechte für alle Beschäftigten, da sie im selben Betrieb arbeiten. Lohndumping, also das Zahlen von extrem niedrigen Löhnen wie aktuell bei der CFM, wäre damit verunmöglicht worden. Denn so wie den Beschäftigten ein hundertprozentiger TVöD versprochen wurde, so kann er ihnen auch schnell wieder genommen werden, wenn die CFM-Geschäftsführung den Haustarifvertrag wieder kündigt. Die Rückführung würde so einen Angriff durch die Geschäftsführung verunmöglichen.

Zweitens kann nur durch die vollständige Rückführung die Spaltung der Beschäftigten in Angestellte des Mutterkonzerns Charité und Angestellte der CFM überwunden werden – eines der Hauptziele der ursprünglichen Ausgliederung der CFM aus der Charité, die 2006 unter dem damaligen rot-roten Berliner Senat beschlossen worden war. Diese Spaltung besteht bis heute fort und ist auch im aktuellen Arbeitskampf sichtbar geworden: Zwar gab es vonseiten der Charite-Beschäftigten auch viel Solidarität, jedoch auch viel Distanz bis hin zu Ablehnung des Streiks. Ohne eine vollständige Rückführung oder zumindest eine vollständige Aufnahme in den TVöD inklusive aller Arbeitsbedingungen wird diese Spaltung erhalten bleiben und auch den gemeinsamen Kampf in den Lohntarifrunden erschweren. 

An dieser Stelle ist auch zu kritisieren, dass es die hauptamtliche ver.di-Streikleitung bis zuletzt nicht geschafft hat, einen gemeinsamen Kampf mit den Charité-Beschäftigten zu organisieren. Sie hat sich an die repressive Logik der Arbeitsgerichte angepasst, die „Solidaritätsstreiks“ auf ein Minimum beschränken – dabei wäre ein tatsächlicher gemeinsamer Streik mit allen Charite-Beschäftigten eine viel schärfere Waffe, als wenn die CFM-Beschäftigten ihren Kampf allein durchhalten müssen.

Es ist also keine „Zusatzfrage“, wieso diese Forderung nicht berücksichtigt wurde bei den Verhandlungen, sondern eine eigentlich unerlässliche Forderung, deren Durchsetzung viele der Probleme gelöst hätte, die die Beschäftigten bei der CFM haben.

Das heißt, an den Arbeitsbedingungen per se ändert sich nur das Gehalt – was natürlich einen großen Teil ausmacht, aber eben nicht alles ist, was es braucht, um eine faire Arbeit zu haben. Die körperlichen und mentalen Probleme, von denen die Beschäftigten in einem Interview mit uns erzählten, werden auch mit besserem Lohn weiterhin bestehen bleiben. Der Mantelvertrag hätte regeln sollen, dass sie beispielsweise genug Ruhetage haben, ohne Lohneinbußen hinnehmen zu müssen, beispielsweise durch mehr Urlaubstage und weniger Arbeitsstunden bei gleichbleibendem Lohn. Gerade in einer Zeit, in der die Regierung einen regelrechten Kriegskurs fährt und sich bis an die Zähne und darüber hinaus bewaffnet, ist das eine fatale Einschränkung der Rechte von Beschäftigten.

Es hätte mehr rausspringen können

Ohne den Erfolg runterzusprechen, den die Beschäftigten sich wahrlich verdient und geduldig erkämpft haben: Alle Forderungen hätten so oder zumindest so ähnlich erreicht werden können, wenn der Streik nicht beendet wäre. Ein Boss mag angsteinflößend, einschüchternd wirken, er mag sogar repressiv sein und die Polizei auf die Streikenden hetzen. Aber er verdient nur dann, wenn die Arbeit geleistet wird. Bis dahin versucht er mit aller Kraft die Beschäftigten vom Streiken abzuhalten – denn jeder Streiktag bedeutet Minusgeschäft für ihn.

Die Aufgabe, diese Streikmoral aufrechtzuerhalten, liegt aber nicht nur bei den Beschäftigten untereinander, sondern auch den hauptamtlichen Organizer:innen und Gewerkschaftsbeschäftigten, die durch ver.di für Streiks eingesetzt und dementsprechend auch bezahlt werden. Das sind von der Gewerkschaft angestellte Sekretär:innen, die für die gewerkschaftliche Arbeit bezahlt werden aus unser aller Mitgliedsbeiträge. Gerade deshalb sollten sie eigentlich zu 100 Prozent die Interessen der Beschäftigten vertreten, auch hier bei der CFM. Leider beweisen sie aber immer wieder, dass sie einerseits natürlich die Interessen der Beschäftigten vertreten, andererseits aber auch eigene Interessen. Schließlich müssen sie nicht unter den Bedingungen arbeiten, die sie letztlich verhandeln. Aus diesem Grund setzen wir uns stets für eine direkt von den Streikenden gewählte und jederzeit abrufbare Streikleitung ein, die nur auf der Grundlage von Versammlungsbeschlüssen aller Streikenden handelt.

Aber wir brauchen hier gar keine alten Beispiele nennen, sondern können ganz aktuell aufzeigen, wie auch hier die Hauptamtlichen Angst hatten, dass der CFM-Streik außer ihrer Kontrolle gerät. Als ver.di Mitte Mai den unbefristeten Streik pausierte, um Verhandlungen zu führen, stieß das auf viel Unmut unter den Beschäftigten. Viele empfanden die Entscheidung als Zugeständnis an die Chefs – einige hätten höchstens einen Tag Pause für Gespräche akzeptiert, nicht vier oder gar fünf, wie es schließlich ohne Rücksprache geschah. Damit nahm die Gewerkschaft den Druck aus dem Streik, obwohl viele Kolleg:innen bereit waren, weiterzukämpfen. Klar: Die Bosse drohten mit der Verweigerung jeglicher Verhandlungen, die mögliche Alternative zu dem geleisteten Zugeständnis, nämlich die Radikalisierung des Streiks, beispielsweise durch Blockaden, wurde jedoch gar nicht erst in Betracht gezogen.

Diese Streikpause markierte auch einen Wendepunkt, sowohl in der Auseinandersetzung mit den Chefs, als auch im Kampfgeist der Beschäftigten: Die Bosse bestimmten nun den Takt der Verhandlungen und machten die Fortsetzung des Dialogs von weiteren Streikunterbrechungen abhängig. Die demokratische Beteiligung der Streikenden wurde geschwächt, da Streikversammlungen nun nicht mehr möglich waren. Für viele entstand der Eindruck, dass ver.di den Streik eher bremsen als vorantreiben wollte – trotz der ungebrochenen Entschlossenheit der Belegschaft. Das führte zusätzlich zu einer Demoralisierung der Beschäftigten, die sich immer mehr begannen zu fragen, ob sich kämpfen noch lohne.

Auch eine Veranstaltung des BIPoC-Referats (BIPoC = Black Indigenous People of Colour, eine Fremd- und Eigenbezeichnung von migrantischen Menschen) des AStA der Freien Universität Berlin wurde versucht zu sabotieren. Während mindestens vier migrantische Beschäftigte unbedingt eine gemeinsame Veranstaltung organisieren wollten, wimmelte ein Bürokrat sie ab und bevormundete die Beschäftigten damit, dass sie ja keine Zeit hätten, weil viel los sei. Die Veranstaltung konnte letzten Endes doch stattfinden, nachdem die Beschäftigten enttäuscht von ihrer ver.di-Verhandlungsführung waren, die wie oben beschrieben teilweise ohne Rücksprache agierte.

Dabei bemängelte ein Teil der Beschäftigten auch, dass die ver.di-Sekretär:innen nur ökonomische Fragen behandelten und auch, dass sie alle anderen Forderungen außer Acht ließen, um einen Kompromiss mit der Arbeitgeberseite einzugehen. Diese Beschäftigten selbst waren sich einer Sache sehr einig: Rassismus spielt in ihrem Arbeits- und alltäglichen Leben eine immense Rolle. Sie wollten gerne über das Thema sprechen, aber bis zu der Veranstaltung an der Freien Universität Berlin hatten sie nie eine Gelegenheit dazu bekommen.

Wie hätte man die anderen Forderungen konkret durchsetzen können?

Die Streikaktionen der CFM-Beschäftigten waren vielfältig. Beim diesjährigen Streik ließ man Kai Wegner, den amtierenden Berliner Bürgermeister und CDU-Mitglied, kaum einen Tag ausruhen, ohne ihn irgendwo zu konfrontieren. Ob bei einer Gala-Veranstaltung, bei einem privaten Essen oder anderswo: Kolleg:innen der CFM waren fast immer vor Ort und stellten Kai Wegner zur Rede. Einige Male haben sie auch Streikkundgebungen angemeldet an den Orten, an denen Kai Wegner gerade saß oder sitzen wollte.

Gleichzeitig haben Beschäftigte Stände aufgebaut an ihren Streikposten, wo sie Essen und Trinken gegen Spenden verkauften, um Geld für ihre Streikkasse zu sammeln. So konnten sie gleichzeitig mit Patient:innen und Besucher:innen der Charité-Krankenhäuser ins Gespräch kommen und von ihrer Lage erzählen. Viele solidarisierten sich mit ihnen, schrieben gar Beschwerde-Mails an die Charité-Geschäftsführung, um das Outsourcing der Beschäftigten und ihre Arbeitsbedingungen zu beklagen. 

Aber insbesondere wäre es möglich gewesen, den Streik auf weitere Teile der Krankenhausbelegschaft und auf härtere Methoden als Kundgebungen und Streikdemonstrationen auszuweiten. Zum Einen hält sich ver.di weiterhin sklavisch an die arbeitsgerichtliche Beschränkung von Solidaritätsstreiks, die es verunmöglicht, dass beispielsweise der stärkere Pflegebereich im Krankenhaus mit geschlossener Kampfkraft die Arbeit für die Bedingungen der Servicebeschäftigten bei der CFM niederlegt. Zum Anderen aber hätte es auch Möglichkeiten gegeben, dass die CFM-Kolleg:innen kollektiv ihre Streikaktionen radikalisieren. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, die CFM-Logistikzentren zu blockieren. Das wurde bei früheren Streiks der CFM bereits getan. Den Dreh- und Angelpunkt der Versorgung für die Krankenhäuser unter Blockade zu nehmen, würde selbst den Charité-Chef einknicken lassen. Gleichzeitig könnte die CFM nicht mehr einfach Leasingkräfte und Leiharbeiter:innen für Tagesdienste einstellen, wie sie es während der Streikzeit der Beschäftigten getan hat.

Heute 100 Prozent TVöD, morgen die Rückführung!

Fünf Jahre bis zur vollen Angleichung an die TVöD-Entgelttabelle sind eine lange Zeit – aber auch eine Zeit, um sich vorzubereiten. Denn angeglichene Löhne alleine werden nicht zwingend für bessere Arbeitsbedingungen sorgen. Die Beschäftigten verdienen angenehme Arbeitszeiten, gut bezahlte Schichtzulagen, viele Urlaubstage und faire Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Dafür muss der Kampf für die Rückführung in den Charité-Mutterkonzern weitergehen. Es gilt jetzt, Kraft zu tanken, Mut zu sammeln und sich bereits jetzt schon zu versammeln und Pläne zu schmieden für zukünftige Streiks. Denn nichts tut einem Chef mehr weh als ein gut geplanter, sauber umgesetzter und konsequent weitergeführter Streik.

Die Beschäftigten sollten sich schnellstmöglich zu Versammlungen treffen und beraten, wie sie weiter vorgehen möchten. Solidarische Gewerkschafter:innen könnten dazu kommen und mit ihnen über ihre eigenen Streikerfahrungen sprechen, so dass man gegenseitig lernen und sich unterstützen kann. Vielleicht schafft man es sogar, die eigene Gewerkschaftsführung dazu zu bringen, zu gemeinsamen Streiks aufzurufen: Zusammen mit den Beschäftigten der Charité, aber auch Vivantes und ihrer Tochterfirma Vivantes Service GmbH (VSG), die selbst für eine Rückführung in den Mutterkonzern Vivantes kämpfen.

Gemeinsame Versammlungen sind unabdingbar, um sich bestmöglich vorzubereiten. Wenn man sich jetzt bereits schon trifft, kann man schon jetzt Pläne ausarbeiten, die nicht nur die CFM, sondern die gesamte Charité-Geschäftsführung in die Enge treiben kann!

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