Catherine Connolly: Eine neue Hoffnung für die Linke?
In Irland hat die unabhängige, linke Präsidentschaftskandidatin Catherine Connolly die Wahl mit 63,4 Prozent der Stimmen gewonnen. Doch was heißt das jetzt?
Über Wochen hat sich der Ausgang dieser Wahl abgezeichnet. Die Anwältin und ehemalige Abgeordnete für die irische Küstenstadt Galway im Westen der Republik (irisch: Teachta Dála) des irischen Unterhauses des Parlaments (Dáil Éireann), hat bereits die Umfragen dominiert. Die Kandidatur Connollys wurde von der der irisch-republikanischen Sinn Féin, die auf eine eigene Kandidatur verzichtet haben, der irischen Labour Party, der Grünen (Green Party), der sozialdemokratischen Socialist Democratic and Labour Party (SDLP), von People before Profite, einem Bündnis aus sozialistischen Organisationen, der Socialist Party sowie praktisch an allen linken Organisationen in Irland und mehreren unabhängigen Abgeordneten und Senator:innen unterstützt. Auch viele Aktivist:innen aus der Palästina-Bewegung, der Bewegung für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Aktivist:innen aus der LGBTIQ-Bewegung und der Mietenbewegung unterstützten den Wahlkampf auf lokaler Ebene. Dazu kam auch die Unterstützung bekannter Künstler:innen, allen voran die Rapper von Kneecap aus West-Belfast, deren Mitglieder selbst nicht wahlberechtigt waren, aber auch der bekannte Irish-Trad-Sänger Christy Moore.
Wofür steht Connolly?
Catherine Connolly ist kein Mitglied der oben genannten Parteien. Sie steht solidarisch an der Seite der Palästinenser:innen und hat sich klar gegen den Genozid in Gaza ausgesprochen. Sie ist eine Unterstützerin der gleichgeschlechtlichen Ehe und der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die in Irland in den letzten Jahren erkämpft wurden. Sie stellt sich explizit gegen rassistische Spaltung und tritt für die Rechte von Behinderten ein. Sie spricht fließend irisch und unterstützt die Vereinigung Irlands. Themen, die in der öffentlichen Wahrnehmung in Irland aufgrund der antikolonialen Geschichte des Landes nicht zu unterschätzen sind. Sie hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen westliche Interventionen in Syrien positioniert. Zudem verteidigt sie die militärische Neutralität Irlands. Irland ist kein Mitglied der NATO. Der Flughafen Shannon im Westen der Republik dient aber seit Jahren als Transitflughafen für US-Transportflugzeuge, die Waffen nach Westasien oder auch nach Israel geflogen haben. Die derzeitige Aufrüstungspolitik der NATO kritisierte sie als Kriegstreiberei. Der deutschen Bundesregierung warf sie explizit vor, den Ausbau des „militärisch-industriellen Komplexes“ ähnlich wie in den 30er-Jahren zu nutzen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die EU kritisiert sich als neoliberal und undemokratisch. Sie versprach außerdem Lösungen für die Mietenkrise in Irland.
Connolly steht damit sicherlich am linken Rand der Parteien, von denen sie Unterstützung erhalten hat. Eine revolutionäre Sozialistin ist sie aber auch nicht. Ihre Positionen erinnern eher an eine linkere, reformistische Vision eines friedlichen und vereinten Europas, sie bezeichnet sich trotz ihrer scharfen EU-Kritik auch als überzeugte Europäerin. Ihre Befugnisse sind zudem beschränkt. Sie hat als Staatspräsidentin (irisch: Áras an Uachtaráin) überwiegend repräsentative und zeremonielle Befugnisse, vergleichbar mit dem Amt des Bundespräsidenten in Deutschland. Sie kann damit selbst keine Politik durchsetzen. Insofern schüttelt ihre Wahl das irische Establishment kräftig durch. Die Politik ändert sich dadurch aber noch nicht. Nichtsdestotrotz stehen hinter ihrer Wahl die Hoffnungen vieler Ir:innen auf einen politischen Umschwung.
Enttäuschung in die Regierung
Die Enttäuschung der Bevölkerung mit der derzeitigen Regierung (irisch: Rialtas na hÉireann) aus den konservativen Parteien Fine Gael und Fianna Fáil hat dazu beigetragen, dass die Präsidentschaftskandidaten Heather Humphreys, Mitglied von Fine Gael, solch eine krachende Niederlage einstecken musste. Jim Gavin, Kandidat von Fianna Fáil, hatte sich bereits im Vorfeld der Wahlen wegen Korruptionsvorwürfe zurückgezogen, stand aber aufgrund der Kurzfristigkeit trotzdem auf Wahlzetteln. Insbesondere die explodierenden Mieten in Irlands Hauptstadt Dublin, aber auch in anderen Teilen des Landes, sind seit Jahren ein Dauerbrenner in der irischen Politik. Nach der Finanzkrise von 2008 hat sich diese Mietenkrise verschärft. Die durchschnittliche Neumiete in Dublin liegt heute bei 2100 Euro. Selbst gut bezahlte Beschäftigte haben Schwierigkeiten, bezahlbare Wohnungen zu finden, bei den unter 30-jährigen können sich zwei Drittel der Menschen keine Wohnung leisten. Die irische Regierung hat in der Folge der Finanzkrise den harten Spardiktaten der EU-Troika nachgegeben und Milliarden im Bildungs- und Sozialwesen eingespart. Gleichzeitig bleibt Irland bis heute ein Steuerparadies für Unternehmen, wodurch vor allem US-Unternehmen vermehrt ihren europäischen Hauptsitz in Irland betreiben: Apple, Meta, Microsoft, Google, Intel, Amazon, aber auch Pharma-Riesen wie Pfizer, ABBvie und MSD Merck bilden einen großen Teil der irischen Exporte. US-Unternehmen beschäftigen rund 14 Prozent aller Beschäftigten in Irland direkt oder indirekt. Die USA sind der wichtigste Handelspartner für Irland. Gleichzeitig fungiert Irland als eine Art Tor für die USA nach Europa.
Der Sieg von Catherine Connolly hat sich lange in Umfragen abgezeichnet. So sehr, dass konservative Politiker:innen und Medien mit verzweifelten Schmutzkampagnen versucht haben, sie zu verunglimpfen. Mal war sie Putin-Agentin, aufgrund ihrer Anti-NATO-Haltung und ihrem Pochen auf der Neutralität Irlands, mal Unterstützerin von Assad, weil sie 2018 als Teil ihrer Abgeordneten-Arbeit Syrien und unter anderem palästinensische Geflüchteten-Camps besucht hat und dort auf einem Foto mit Fares Al-Shehabi, ein Unterstützer Assads, der auch von EU-Sanktionen betroffen war, zu sehen war. Mal wurde sie sogar dafür kritisiert, dass sie Kinder beim Basketball nicht gewinnen lassen habe.
Zerrissene Stimmzettel
Die Präsidentschaftswahl ist Irland ist eine Direktwahl. Es waren drei Kandidat:innen zur Wahl zugelassen, von denen am Ende nur zwei angetreten waren. Jim Gavin stand trotz seines Rückzugs offiziell zur Wahl und hat daher auch noch Stimmen erhalten. Kandidaturen in Irland werden erst zugelassen, wenn sie von 20 Abgeordneten des Parlaments (irisch: Oireachtas) oder von vier lokalen Behörden unterstützt werden. Die unter anderem dadurch sehr eingeschränkte Wahlmöglichkeit hatte bereits im Vorfeld für Diskussionen gesorgt. In Umfragen haben 49 Prozent der Befragten angegeben, sich weder durch Connolly oder Humphreys vertreten zu fühlen. Die Wahlbeteiligung lag letztlich bei etwa 46 Prozent. Einem Aufruf der Konservativen und Rechtsradikalen, die Stimmzettel zu zerreißen, sind überdurchschnittlich viele Menschen gefolgt. 13 Prozent der Stimmzettel waren ungültig, 2018 waren es nur 1,2 Prozent. Weitere mögliche Kandidat:innen für die Präsidentschaftswahl, wie der irische Sänger Bob Geldof oder der Rassist und verurteilte Vergewaltiger Conor McGregor sind nicht angetreten. McGregor kritisierte explizit die restriktiven Hürden für die Kandidatur. Nun wir sind wir die letzten, die für McGregor auch nur eine Träne vergießen. Und auch der Aufruf zum Zerreißen der Wahlzettel war eindeutig Teil einer rechten Kampagne gegen Connolly und ein Verzweiflungsakt aufgrund ihres erdrutschartigen Siegs.
Dennoch ist es alarmierend, wenn rund die Hälfte der Bevölkerung sich von keiner der Kandidatinnen vertreten gefühlt hat. Die Hürden für den Wahlantritt führen faktisch dazu, dass nur etablierte und halbwegs prominente Personen überhaupt die Unterstützung für die Wahl erhalten können. Eine Aufhebung der Hürden für einen Wahlantritt würde auch weiteren unbekannteren Kandidat:innen die Möglichkeit geben, für die Wahlen anzutreten und im Wahlkampf für ihre Positionen zu kämpfen. Daher ist es notwendig, dass Sozialist:innen für die Aufhebung der restriktiven Hürden kämpfen.
Rassistische Pogrome in Dublin
Überschattet wurde die Wahl außerdem von rassistischen Pogromen in Dublin gegen eine Unterkunft für Geflüchtete. Auslöser der Pogrome war der angebliche Missbrauch eines zehnjährigen Mädchens durch einen Geflüchteten, der am Dienst in Dublin vor Gericht erschienen sein soll. Drei Nächte in Folge lieferten sich Rechtsradikale Straßenschlachten mit der Polizei und patrouillierten teils auf der Straße, um Autofahrer:innen auf ihre ethnische Zugehörigkeit zu prüfen. Es ist nicht das erste Mal, dass es in Dublin zu solchen Übergriffen gekommen ist. Bereits im November 2023 kam es zu rechten Übergriffen, nachdem bei einem Messerangriff vor einer Schule drei Kinder und eine Schulbetreuerin verletzt wurden. Die Pogrome von letzter Woche erinnern zudem an die rechten Massendemonstrationen und Pogrome in England und Nordirland in den letzten Monaten.
Auch die Parteien, die Catherine Connollys Kandidatur unterstützt haben, stehen insbesondere bei der Frage der Abschiebungen weiter rechts, als Connolly selbst. Die Vorsitzende von Sinn Féin Mary Lou McDonald bezeichnete die Abschiebungen von „kriminellen Ausländern“ als common sense. Im Zuge der jüngsten Pogrome erneuerte die Partei diese Forderungen. Auch die Labour Party oder die Green Party haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie bereit sind, mit den konservativen Parteien Fine Gael und Fianna Fáil zu koalieren und die schlimmsten Austeritätsmaßnahmen mitzutragen.
Kein Automatismus
Es ist daher überhaupt kein Automatismus, dass aus der Wahl von Catherine Connolly nun ein wirklicher Wandel entsteht. Auch wenn die Zustimmung unter jungen Leuten noch einmal höher war als in der Gesamtbevölkerung (über 80 Prozent der unter 35-jährigen), stehen auch viele Fragezeichen über der Wahl. Sicherlich wird sie besonders in außenpolitischen Fragen einen anderen Kurs fahren, als ihr Vorgänger Michael D. Higgins, Mitglied der Labour Party. Mit Sicherheit wird sie auch innenpolitisch andere Akzente setzen. Dennoch ist die Hoffnung der Parteien auf einen Wandel unter Teilen der Bevölkerung und auch Teilen der Linken vor allem damit verbunden, dass sich die Parteien links von der Fine Gael und Fianna Fáil zusammentun, um künftig eine Regierung ohne die beiden etablierten, konservativen Parteien aufzubauen. Eine solche linke Regierung wäre jedoch den gleichen Sachzwängen unterworfen wie heute schon die konservative Koalition. Die enorme Abhängigkeit der irischen Wirtschaft von den USA birgt besonders durch die Wahl von Trump große Risiken, dass kapitalistische Regierungen, mögen sie sich noch so links nennen, Irland durch größeren Druck von Trump weitere Zugeständnisse an US-Unternehmen und das US-Militär zulassen. Beim Besuch des irischen Premierministers (irisch: Taoiseach) Michael Martin warf Trump Irland vor, die US-Pharmaindustrie zu stehlen und forderte die Zahlung von Steuern an die USA.
Ein wirklicher politischer Wandel ist daher nur möglich, wenn Sozialist:innen die jetzige Aufbruchsstimmung nutzen, um eine tatsächlich Kampagne im Interessen der Massen auf der gesamten irischen Insel und der Unterdrückten in Palästina zu führen und damit zu verhindern, dass sich besonders die Jugend in Irland vor den Karren von Sinn Féin, Labour, den Grünen oder der SDLP für ihre Regierungsmehrheiten spannen lassen. Eine solche Kampagne muss eine Senkung der Mieten und eine Enteignung von privaten Wohnungsbaukonzernen unter demokratischer Kontrolle der Mieter:innen und Arbeiter:innen im Zentrum haben. Zudem braucht es eine tatsächliche militärische Neutralität Irlands von der NATO, insbesondere ein Stopp der Unterstützung von Waffenlieferungen über den Flughafen Shannon und für eine rein zivile Nutzung dieses Flughafens. Darüber hinaus braucht es eine drastische Erhöhung der Unternehmenssteuern, um besonders den sozialen Wohnungsbau zu finanzieren. Die Großkonzerne müssen unter demokratische Kontrolle der Beschäftigten entschädigungslos verstaatlicht werden.
Inwiefern sich Catherine Connolly tatsächlich als linkes Sprachrohr in Europa und den USA bewähren kann, muss sich erst zeigen. Dennoch zeigt ihre Wahl sehr deutlich, dass linke Ideen sehr lebendig sind und es einen Raum gibt für Sozialist:innen, eine konsequente antikapitalistische und revolutionäre Politik aufzubauen.