Blutleerer SPD-Sieg in Brandenburg: Krise der politischen Mitte vertieft sich
Die SPD wird stärkste Partei in Brandenburg. Ein Sieg, der das Erstarken der AfD und die Schwäche der politischen Mitte kaum kaschieren kann. Eine Fortsetzung der Koalition ist nicht mehr möglich.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte alles auf eine Karte gesetzt: Er würde nur weitermachen, wenn seine Partei vor der AfD liege; mit Erfolg. Über 31 Prozent holte die SPD laut Hochrechnungen, nachdem sie sich aus einem Umfragetief hochgekämpft hatte – im Juni lag sie noch bei 19 Prozent. Ein Sieg für die Sozialdemokratie? Nur halb, denn viele Wähler:innen auch anderer Parteien folgten Woidkes Aufruf zu einer taktischen Stimmabgabe, um einen Wahlsieg der AfD zu verhindern. 75 Prozent der SPD-Wähler:innen gaben dies als Grund für ihre Entscheidung an – obwohl sie von der Partei nicht überzeugt waren.
Politische Mitte bröckelt
Die Wahlergebnisse in Brandenburg zeigen, dass die Parteien der politischen Mitte sich nur mit einiger Mühe vorne halten können. Die „Volksfront“ von links bis Union hat einen Wahlsieg der AfD nochmals verhindern können. Etwas zu selbstgefällig meinte Dietmar Woidke: „Wie so oft in der Geschichte waren es Sozialdemokraten, die Extremisten auf dem Weg zur Macht gestoppt haben.“ Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass jenseits des parlamentarischen Stimmverteilung die AfD zum dynamischsten Faktor in ganz Ostdeutschland aufgestiegen ist. Sie hat die anderen Parteien nach rechts gezogen und ist mit knapp unter 30 Prozent fast mit der SPD gleichgezogen.
Mit Ausnahme der SPD fuhren die Parteien der politischen Mitte heftige Wahlniederlagen ein. Die Grünen verfehlen nach den letzten Hochrechnungen knapp den Einzug in den Landtag. Damit wäre die bisherige Koalition aus SPD, CDU und Grünen abgewählt. Wie auch in Sachsen und Thüringen könnte ohne BSW keine Mehrheit der Parteien der Mitte zustande kommen. Eine Regierung von Gnaden der BSW, sei es als Minderheitsregierung oder gemeinsamer Koalition, dürfte derweil der Stabilität der politischen Mitte nicht unbedingt förderlich sein. Bemerkenswert ist auch das katastrophale Abschneiden der FDP, die weniger als ein Prozent erzielte, was sie zu einem noch größeren Unsicherheitsfaktor der Ampel machen könnte.
Die CDU fuhr mit zwölf Prozent gar das drittschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei Landtagswahlen ein. Von einem Merz-Effekt, also einem guten Abschneiden aufgrund der Nominierung ihres Kanzlerkandidaten, konnte keine Rede sein. Natürlich war dies der Polarisierung der Wahl zwischen SPD und AfD geschuldet. Selbst Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer unterstützte gegen seine eigene Partei Woidke von der SPD. Doch das Ergebnis zeigt auch, dass die CDU nicht in der Lage ist, trotz ihres rassistischen Abschottungskurses in der Migrationsfrage der AfD wieder Stimmen abzutrotzen. Die Wähler:innen machten ihr Kreuz lieber gleich beim rassistischen Original – und was für einem.
AfD fordert „Rassentrennung“ und verteilt Stichwaffen im Wahlkampf
Ähnlich wie in Thüringen gilt die AfD in Brandenburg als besonders weit rechts. Im Wahlkampf hatte sie gefordert, Geflüchteten den Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen zu verweigern. Eine AfD-Politikerin verteilte auf ihren Wahlkampfveranstaltungen Stichwaffen. In einem Facebook-Video bewarb sie dies mit der Aussage: „Wir hören tagtäglich von Messerangriffen und Schlägereien. Ich hab die Lösung!“ Eine Partei, die offen zu „Rassentrennung“ aufruft und potenziell tödliche Waffen im Einsatz gegen Geflüchtete verteilte, konnte also circa 30 Prozent erzielen. Besonders besorgniserregend: Wie auch bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen konnte die AfD bei jungen Wähler:innen stärkste Kraft werden, hier sogar mit deutlichem Abstand, während die SPD vor allem Rentner:innen mobilisieren konnte.
Dabei passte sich auch die SPD gemäß dem Bundestrend dem Rechtsruck an. Schnellere Abschiebungen, Zurückweisungen an der Grenze und mehr Befugnisse für die Polizei lauteten ihrer Kernbotschaften. Sie konnte sich also nicht gegen die AfD behaupten, indem sie ihr eine soziale Politik mit besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen, besserer Gesundheitsversorgung, Schulen oder Nahverkehr entgegengesetzt hätte. Sondern, indem sie selbst zentrale Themen der Rechten übernahm. Im Klima des Rechtsrucks, der Militarisierung und Kürzungspolitik bot sie lediglich an, ihren Rassismus in staatstragendere Worte zu hüllen.
Dahinter schreckte auch BSW nicht zurück, für die Amira Ali im Fernsehen verkündete: „Wir brauchen mehr Polizei in Brandenburg“. Mit zwölf Prozent kann die neu gegründete Partei zufrieden sein. Sie liegt damit sogar minimal vor der CDU, kann vermutlich über die Koalition mitbestimmen und hat den Kampf gegen ihre früheren „Genoss:innen“ eindeutig für sich gewonnen. Denn DIE LINKE kam nur noch auf etwa drei Prozent. Ein katastrophaler Wert für die Partei, die in den 2000er Jahren noch auf 28 Prozent kam. Brandenburg ist damit das erste ostdeutsche Bundesland, in dem DIE LINKE aus dem Landtag fliegt. Das Sterben auf Raten vertieft sich, die Quittung für zwei Jahrzehnte angepasster Politik mit Regierungsbeteiligungen und kapitalistischer Mitverwaltung.
Sozialistische Alternative statt bürgerlicher und rassistischer Regierungspolitik
Der Stimmenanteil, den vor 20 Jahren noch eine linke Partei holen konnte, entfällt jetzt also auf die AfD. Es sollte uns allen eine Lehre sein, dass über die parlamentarische Politik der Aufstieg der Rechten nicht zu stoppen ist. Diese Warnung muss auch angesichts von Woidkes Aussage getroffen werden, der geschichtsvergessen meinte, die Sozialdemokratie hätte mal wieder Extremisten gestoppt. Die AfD muss mit Versammlungen in den Betrieben, Schulen und Unis, mit Mobilisierungen, Streiks und Blockaden gestoppt werden, nicht mit rechter Regierungspolitik unter sozialdemokratischem Anstrich. Wir brauchen Versammlungen, die sich auch gegen Sozialabbau, Schließungen von Betrieben und den Militarismus wenden. Sie können die Keimzelle sein, eine linke Antwort der Arbeiter:innen in Organen der Selbstorganisierung zu entwickeln. Es braucht eine sozialistische Alternative, der Enteignungen der Banken und großen Konzerne, gewaltige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Nahverkehr sowie internationale Solidarität statt Rassismus und Abschottung.
Wie der Aufstieg von AfD und BSW zeigen, ist die Politik der Parteien der Mitte in eine tiefe Krise geraten, über die auch der knappe Sieg der SPD nicht hinwegtäuschen kann. Der Rechtsruck ist eine Gefahr für Migrant:innen, Frauen, Queers, Linke und Gewerkschafter:innen. Er basiert auf der Kriegs- und Kürzungspolitik der Regierungen in Bund und Ländern und darauf, dass sie den Rechten alle rassistischen Wünsche erfüllen. Für die kapitalistischen Unternehmen sind Geflüchtete allenfalls günstige Arbeitskräfte, was eine Konkurrenz zwischen Arbeiter:innen aufbaut. Wir können nicht gemeinsam mit den Bossen kämpfen. Für uns sind Geflüchtete Teil unserer Klasse im Kampf gegen die Ausbeutung und für eine bessere Welt.
Wir wollen ein sozialistisches Europa, in der alle Menschen die Möglichkeit haben, sich für die Gemeinschaft einzubringen und ein gutes Leben aufzubauen. Der Kapitalismus spaltet zwischen „nützlichen“ und „unnützen“ Migrant:innen. Letztere drängt der an den Rand der Gesellschaft und schiebt sie ab. Im Sozialismus hingegen spielt die wirtschaftliche Verwertbarkeit für Profite keine Rolle. Alle Fähigkeiten und Kräfte sind wichtig, um die gewaltigen Anstrengungen zu meistern für einen ökologischen Umbau der Wirtschaft und Städte und den Aufbau einer neuen Gesellschaft. Organisiert als Rätedemokratie und nicht wie in der DDR als eine bürokratische Kommandostruktur, ermöglicht es der Sozialismus, alle Menschen in gemeinsam gesteckte Ziele einzubeziehen. In dieser Perspektive kämpfen wir für internationale Solidarität und gegen den Rechtsruck.