Bericht von unserer deutschlandweiten Konferenz

11.12.2012, Lesezeit 6 Min.
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Am 24./25. November tagte RIO, die Revolutionäre Internationalistische Organisation, zur gemeinsamen Analyse der internationalen und nationalen Situation, zur Bilanz nach einem Jahr als Teil der Trotzkistischen Fraktion (FT-CI) und zur gemeinsamen Ausgestaltung der strategischen Orientierung von RIO für die kommende Zeit.

Viele unserer Geschwister-Sektionen sandten uns Grußbotschaften zu diesem wichtigen Arbeitstreffen. In Text und Video erhielten wir solidarische Grüße und politischen Ansporn von der PTS (Argentinien), LER-QI (Brasilien), LTS-CC (Mexiko), LTS (Venezuela), Clase contra Clase (Spanischer Staat), CCR (Frankreich) und LOR-CI (Bolivien).

Ein Jahr als Teil der Trotzkistischen Fraktion (FT-CI)

Nach einem Jahr als Teil der Trotzkistischen Fraktion hat sich RIO eindeutig weiterentwickelt.Wir haben kleine Fortschritte erkämpft und sind relativ gut aufgestellt, um kommende Aufgaben in Angriff zu nehmen.

Durch erste Aneignungen der theoretischen und praktischen Erfahrungsbestände der FT-CI [1] konnten wir erste Schritte dahin gehen, unsere politische Arbeit strategisch auszurichten und unsere theoretische Reflexionsfähigkeit der gesellschaftlichen Situation zu schärfen.

Dies drückt sich sowohl in der Taktik der offenen Gruppierungen ( Red Brain, Waffen der Kritik) als auch in den ersten Ausgaben des Trotzki-Archivs und unserer Zeitschrift Klasse gegen Klasse aus, von der bereits 5 Ausgaben erschienen sind. Die Taktik der offenen Gruppierungen ermöglicht es uns, mit unorganisierten AktivistInnen gemeinsame politische Erfahrungen zu gewinnen und auf diese Weise unsere Programmatik in Theorie und Praxis vorzustellen.

Das Trotzki-Archiv stellt unseren Versuch da, die allgemeine Taktik der FT-CI umzusetzen, unser theoretisches Erbe aufzuarbeiten und offensiv in die Bewegungen zu tragen. Vorbild ist hier das CEIP.

Die regelmäßige Erarbeitung neuer Ausgaben von Klasse gegen Klasse schult unsere politische Wahrnehmung und Reflexionsfähigkeit, außerdem stärkt sie den allgemeinen Organisationsaufbau.

Mit unserer Intervention im dreizehn-wöchigen Streik der CFM-ArbeiterInnen konnten wir erste Erfahrungen mit der Arbeit in der ArbeiterInnenbewegung machen.
Auch ist RIO quantitativ gewachsen, mit einer Stärkung der Ortsgruppen in Berlin und München.

Eine Zeit der gesellschaftlichen Erschütterungen

Die Weltwirtschaftskrise hat seit ihrem Ausbruch soziale Bewegungen erschaffen, die den „globalisierungs-kritsichen“ Protesten zu Beginn des Jahrhunderts deutlich überlegen sind. Sie haben radikale Erfahrungen gemacht, die deutlichere Tendenzen hin zu einer bewussten Wahrnehmung der Klassenspaltung der Gesellschaft bewirken. Trotzdem haben noch keine großen anti-bürokratischen Kämpfe wie im letzten großen Anstieg des Klassenkampfes 1968-81 statt gefunden.

Durch die weltweite Dimension der Krise können wir jedoch eine interessante kombinierte Entwicklung betrachten, durch die Klassenkämpfe in zugespitzteren Situationen (wie im Arabischen Frühling) auch auf andere Teile des Proletariats und der Jugend überspringen können. Ein Element dessen sind auch die 14N-Mobilisierungen mit Generalstreiks in mehreren Ländern Südeuropas und Demonstrationen in vielen anderen Ländern des Kontinents. Sie waren trotz ihrer bürokratischen Kontrolle der bisher höchste Ausdruck der Massen gegen die Krise auf europäischer Ebene.

Die Lage in Deutschland gleicht dabei noch immer der Ruhe im Auge eines Sturms. Bisher stand sowohl die wirtschaftliche Lage, als auch die Situation des Klassenkampfes in Deutschland in keinem Vergleich zu den sozialen Erschütterungen in anderen Teilen der Welt, vor allem in Europa. So konnten wir zum Beispiel auch noch kein Erstarken links- und rechts-populistischer oder faschistischer Parteien wahrnehmen, wie etwa in Frankreich im Falle der Front de Gauche und der Front National oder in Griechenland SYRIZA und Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte).

Doch diese Situation, die wir in unseren Publikationen seit einiger Zeit als „fragile Stabilität“ beschreiben, könnte in nächster Zeit umschlagen. Auf dem Weg der Exporte dringt die wirtschaftliche Krise auch nach Deutschland, wie es sich momentan vor allem in der bedeutenden Autoindustrie und dem vorsorglichen Wiederbeleben der staatlich subventionierten Kurzarbeit zeigt.

In dieser Situation besitzen die wenigen Arbeitskämpfe und sozialen Proteste in Deutschland besonderes Potential. Die 14N-Mobilisierungen sind genauso wie das kurze Aufleben von Occupy in Deutschland Auswirkungen der Klassenkämpfe in anderen Ländern. Arbeitskämpfe, wie zum Beispiel bei Iveco, könnten überraschend in die vielen Sollbruchstellen des bürgerlichen Regimes in Deutschland einbrechen.

Wichtigster Kampf hierzu ist die Etablierung einer anti-bürokratischen und klassenkämpferischen Bewegung an der Basis der Gewerkschaften. Die auf Klassenzusammenarbeit und damit auf den Dienst am kapitalistischen System ausgerichtete Gewerkschaftsbürokratie muss zerschlagen und an ihre Stelle eine arbeiterInnen-demokratische Gewerkschaftsführung treten. Momentan jedoch sitzt sie sicher in ihrem Chefsessel.

Das Potential dieser Situation muss RevolutionärInnen jeden Konservatismus und Routinismus in der politischen Arbeit fürchten lehren. Es muss entgegen dieses Konservatismus in großen Teilen der radikalen Linken in Deutschland und dem Rechtsruck im trotzkistischen Zentrismus die politische Bereitschaft für einen sprunghaften und umfassenden Umschlag in der gesellschaftlichen Situation geschaffen werden.

Aufgaben in der nächsten Periode

In dieser Situation steht RIO vor bedeutenden Aufgaben. Vor allem muss die Integration in die FT-CI vorangetrieben werden, um unsere internationalistische Arbeitsweise zu vertiefen, die Grundlage aller revolutionären Politik ist.

Allgemein muss unsere Arbeit in Zukunft vollständig nach strategischen Kriterien ausgeformt und entsprechend hierarchisiert werden, um schlagkräftige und kontinuierliche Interventionen zu ermöglichen, sowie in einen dauerhaften und tiefgreifenden Dialog mit anderen Teilen der radikalen Linken zu treten.

Konkret bietet sich eine politische Arena, in der RIO seinen politischen Einfluss über die Programmpunkte Internationalismus, Anti-Imperialismus und Kampf gegen Prekarisierung verbreitern und vertiefen kann.

Hauptinterventionsfeld wird der Kampf gegen Prekarisierung sein, der sowohl einer der bedeutendsten Momente in der Lage der lohnabhängigen Klasse in Deutschland ist, als auch eine praktische Umsetzung der Parole „Einheit der ArbeiterInnenklasse und der lernenden Jugend“ ermöglicht. Auf dieser Grundlage muss die Taktik der offenen Gruppierungen intensiviert werden, um dort, wo RIO erste Verankerungen gewinnt Bastionen errichten zu können, von denen aus zukünftig in politische Bewegungen und Arbeitskämpfe interveniert werden kann.

Die Schärfung unserer Reflexionsfähigkeit und Hebung unseres politischen Niveaus muss weiter vorangetrieben werden, vor allem bei der Analyse der Stimmungen und Tendenzen in der lohnabhängigen Klasse und der Bewegungen im Regime der herrschenden Klasse in Deutschland.

Das Trotzki-Archiv muss aus seiner initialen Phase heraustreten und zu einer umfangreicheren, tieferen und damit angemesseneren theoretischen Arbeit werden, um unser theoretisches Erbe und unsere strategische Ausrichtung noch stärker in die Offensive zu bringen.

Fußnote:
[1] Siehe vor allem die Artikel An den Grenzen der bürgerlichen Restauration und Taktik und Strategie in der Epoche des Imperialismus sowie die praktischen Erfahrungen bei Zanon.

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