Antifaschist:in im Hungerstreik: Freiheit für Maja!

10.07.2025, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Hendrik Bammel/shutterstock.com

Seit einem Jahr ist Maja T. in Ungarn unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Vor einem Monat ist Maja in letzter Instanz in den Hungerstreik getreten. Nun wurde Maja wegen Majas gesundheitlichen Zustandes in ein Haftkrankenhaus verlegt.

Maja T. ist ein:e antifaschistische:r Aktivist:in aus Thüringen und wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen. Im Juni 2024 wurde Maja T. dann nach Ungarn ausgeliefert – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht im Februar 2025 urteilte, denn in Ungarn erwartete Maja kein fairer Prozess und desaströse Haftbedingungen. Zudem wurden sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch Majas Anwalt bei der Auslieferung umgangen und erst im Nachgang über die Überstellung informiert. Umso drastischer wiegt es, dass das Bundesverfassungsgericht wenige Stunden nach der, durch das Berliner Kammergericht und die Sonderkommission „Linx“ des LKA Sachsen geplanten und durchgeführten Blitzauslieferung urteilte, Maja T. dürfe vorerst nicht ausgeliefert werden.

Der antifaschistisch aktiven Person wird vorgeworfen, 2023 mutmaßlich am Budapester „Tag der Ehre“, einer jährlich stattfindenden Veranstaltung der europäischen neonazistischen Szene, tätliche Angriffe auf an dem Gedenktag teilnehmende Rechtsextreme durchgeführt zu haben. Innerhalb des Budapest-Komplex wurde nach den vermeintlichen Täter:innen europaweit gefahndet, denen gefährliche Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Maja ist vor über einem Monat in den Hungerstreik getreten – ein letztes drastisches Mittel, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Da sich Majas Zustand zunehmend verschlechtert hat, befindet sich Maja derzeit in einem Haftkrankenhaus. Es besteht weiterhin die Unschuldsvermutung.

Seit Februar dieses Jahres läuft nun der Gerichtsprozess gegen Maja in Budapest, bei dessen Eröffnung Maja angekettet an Händen und Füßen vorgeführt wurde. Auf dem Spiel steht eine bis zu 24-jährige Haftstrafe. Es ist anzunehmen, dass anhand von Majas Fall ein Exempel statuiert werden soll und Maja als Antifaschist:in und nonbinäre Person im rechtskonservativen Ungarn, das die Rechte queerer Menschen in den vergangenen Jahren stetig weiter beschnitten hat, keinen fairen Prozess erhalten wird. Seit gut einem Monat, genau genommen seit dem 05. Juni 2025, befindet sich Maja im Hungerstreik, fordert bessere Haftbedingungen und eine Rücküberführung nach Deutschland, um von dort aus an dem Verfahren teilzunehmen. 

Hungerstreik als eine letzte Form von Selbstverteidigung

In einer Erklärung zum Hungerstreik prangert Maja die unmenschlichen Haftbedingungen an. Maja sitzt seit über einem Jahr in Isolationshaft. Die Zelle erhält kein Sonnenlicht, ist von Kakerlaken und Bettwanzen befallen und die Wachen schalten stündlich das Licht für Sichtkontrollen ein. Neben der ständigen Videoüberwachung werden auch körperliche Kontrollen durchgeführt, für die sich Maja ausziehen muss. Der ungarische Staat leugnet die Existenz non-binärer Menschen und zwingt Maja als non-binäre Person in das binär gegliederte Gefängnissystem. Des Weiteren wurde dem deutschen Konsulat eine Visite der Haftzelle verweigert und selbst Majas Anwälte mussten ihren eigenen Gefängnisbesuch vor Prozessbeginn erst gerichtlich durchsetzen.        

Maja befindet sich außerdem in Langzeit-Einzelhaft, also der Absonderung einer inhaftierten Person für mindestens 22 Stunden am Tag über mehr als 15 Tage. Das bedeutet, dass Maja beinahe sechs Monate keinen und bis heute nur weniger als eine Stunde täglich Kontakt zu anderen Menschen gestattet wird. Dieser dauerhafte Entzug von zwischenmenschlichem Kontakt führt zu seelischen und körperlichen Schäden, weswegen die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze des Europarats zumindest einen zweistündigen „sinnvollen zwischenmenschlichen Kontakt“ am Tag vorsehen. Die Langzeit-Einzelhaft gilt nach den Nelson-Mandela-Regeln der Vereinten Nationen als grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und als Teil der „weißen Folter“.

Zuletzt hatte das ungarische Gericht, nachdem fünf Anträge auf Hausarrest abgelehnt worden waren, den zuletzt eingereichten Antrag verschoben. Diese Entscheidung wurde sicherlich nicht ohne Hintergedanken gefällt, denn das Gericht befindet sich fortan erst einmal bis September in der Sommerpause. Laut dem Auswärtigen Amt obliegt die Entscheidungsgewalt über eine mögliche Ausreise oder Überführung nach Deutschland jedoch ungarischen Gerichten.

Majas gesundheitlicher Zustand hat sich derweil zunehmend verschlechtert. Maja hat über 10 Kilo abgenommen, weist Wassereinlagerungen in den Beinen auf und auch die Hormon-, Vitamin- und Mineralstoffwerte (besonders Eisen, Phosphor und das für die Blutgerinnung wichtige Vitamin K) sind stark gesunken. Sowohl Maja T.s Vater als auch Anwalt bestätigen, dass Maja nun in ein 260 Kilometer von Budapest entferntes Haftkrankenhaus, nahe der rumänischen Grenze verlegt worden ist.

Medizinische Angriffe auf die Selbstbestimmung

Entgegen Majas expliziter Patientenverfügung,  gaben die behandelnden Ärzt:innen bekannt, dass sie im Falle einer Verschlechterung von Majas Zustand intervenieren und Maja zwangsbehandeln werden. So nachvollziehbar dies erst einmal auf zwischenmenschlicher Ebene klingen mag, so widerspricht diese Haltung den 1992 in der Erklärung von Malta vom Weltärztebund formulierten ethischen Richtlinien. Zudem erfüllt die Zwangsbehandlung von Patient:innen entgegen deren ausdrücklichen Willen ebenfalls einen Straftatbestand im deutschen Recht. Ein solches Vorgehen, das Majas explizit formulierten Willen keine Beachtung schenkt, stellt einen direkten Angriff auf die Selbstbestimmung dar.

Zaid A.  – die nächste Auslieferung steht bevor

Maja T. hat jedoch nicht nur für die Verbesserung der eigenen Haftumstände zu diesem drastischen Mittel gegriffen. Der Hungerstreik ist ebenso ein Zeichen der Solidarität mit den weiteren Angeschuldigten, denn es besteht die Möglichkeit, dass eine weitere Person nach Ungarn ausgeliefert wird. Besonders gefährdet ist dabei der 21-jährige Zaid A. Der Nürnberger befindet sich derzeit in einer Haftanstalt in Köln, jedoch besteht die reale Gefahr, dass er nach Ungarn ausgeliefert wird, da in Deutschland kein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde. Zudem ist er als einzige der beschuldigten Personen einer weiteren Gefahr ausgesetzt: er hat keinen deutschen Pass. Dass er damit nochmal weitaus gravierenden Gefahren ausgesetzt ist, ist selbsterklärend. Zudem ist anzunehmen, dass ihm in einem von institutionellem Rassismus geprägten Land wie Ungarn kein neutraler Prozess gemacht wird. 

Anhand Majas Prozess wird deutlich, dass grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien nicht eingehalten werden: Im Vorfeld des Prozesses kam es zu medialen Hetzjagden und Diffamierungskampagnen, in welchen Maja unwahrheitsgemäß als Mörder:in stilisiert wurde. Dies ist nicht nur faktisch falsch. Es verletzt die Unschuldsvermutung und richtet sich gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, laut dem sich das Urteil nur auf das beziehen darf, was in der Hauptverhandlung passiert ist. Zudem werden als Hauptzeug:innen eben diejenigen Neonazis geführt, die sich selbst am „Tag der Ehre“, einem alljährlichen Szenetreffen der europäischen Rechtsradikalen beteiligt haben. Verherrlicht wird dabei, nicht unüblicherweise, in Uniformen und Stahlhelmen gekleidet, der „Widerstand“ der SS und der Wehrmacht 1945 gegenüber der Roten Armee. Dass diese als reguläre, unvoreingenomme Zeug:innen geführt werden, zeugt sehr exemplarisch davon, auf welcher Seite Ungarns Justiz steht, wenn es um vermeintliche Unparteilichkeit geht. 

In Ländern, wie Frankreich und Italien wurden Auslieferungen linker Aktivist:innen nach Ungarn bereits mit der Begründung, es sei davon auszugehen, dass Grundprinzipien rechtsstaatlicher Verfahren nicht gewahrt würden, durch Gerichte gestoppt. Selbst Italiens postfaschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich persönlich für die, ebenfalls im Rahmen des Budapest Komplex beschuldigte und zeitweilig in Ungarn inhaftierte, linke Aktivistin Ilaria Salis eingesetzt und den ungarischen Botschafter einbestellt, woraufhin diese ersteinmal in Hausarrest kam. Ihre Freilassung verdankt Ilaris jedoch nicht Meloni, sondern all denjenigen Menschen, die sie 2024 ins Europäische Parlament gewählt haben, wodurch sie parlamentarische Immunität genießt.         

Freiheit für Maja!                                                                                  

Einzig Deutschland schließt die Auslieferung nach Ungarn nicht gänzlich aus. Das Berliner Kammergericht möchte nun konkrete Zusicherungen bezüglich der Unterbringung Zaids in Ungarn abwarten, um dann eine Entscheidung zu fällen. Laut Majas Anwalt handelt es sich jedoch bei den geforderten Zusicherungen bezüglich der Unterbringung um Punkte, die im Fall von Maja T. bereits gebrochen wurden.

Maja fordert unter anderem, dass Maja direkt nach Deutschland übergestellt wird, es zu keinen weiteren Auslieferungen nach Ungarn kommt, Maja uneingeschränkt besucht werden kann und die Betreuung und Begleitung durch unabhängige Ärzt:innen und Psycholog:innen gewährleistet ist. 

Wir unterstützen die Forderungen, denken aber, dass darüber hinaus Maja und alle involvierten Antifaschist:innen freigesprochen werden müssen. Der aktuelle Fall zeigt, wie bürgerliche Staaten Antifaschismus hart bestrafen, während sie Rechtsextreme ignorieren und deren Gerichte und Sicherheitsorgane mit Rechtsextremen durchzogen sind.

Weg mit §129, Solidarität mit allen Antifas, Freiheit für Maja und Majas Genoss:innen!

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