A.C.A.B. von Stonewall bis zur IQP
Schon wieder mussten sich Tausende auf der diesjährigen Internationalist Queer Pride massiver Polizeirepression aussetzen, um für queere Befreiung zu protestieren.
Über 10.000 Menschen sind Samstag bei der Internationalist Queer Pride in Berlin zusammengekommen, um für queere Befreiung und gegen den andauernden Genozid in Gaza zu protestieren. In Reden und Parolen wurden die deutsche Bundesregierung, Politiker:innen und auch der US-Imperialismus für ihre Unterstützung bei diesem Genozid angeklagt, aber auch das Pinkwashing der Militäre in Deutschland und Israel standen im Fokus von Kritik. Denn während sich die selbsternannte „einzige Demokratie im Nahen Osten“ mit Regenbogenfarben auf ihren Raketen brüstet, bringen genau diese Raketen Hunderte und Tausende queere Menschen in Palästina um, treffen ganz „zufällig“ auf das Evin-Gefängnis in Teheran. Dort wurden Ende Juni Hunderte trans Personen, die wegen ihrer politischen Opposition zum Regime und dem Ausleben ihrer Sexualität und Identität inhaftiert waren, durch israelische Raketen getötet.
Dass über 10.000 Aktivist:innen, Arbeiter:innen, Studierende und Linke auf die Straße gegangen sind, ist angesichts der steigenden Queerfeindlichkeit vom Staat und von rechts ein enormes Zeichen der Solidarität mit queeren Menschen, aber auch mit unterdrückten Völkern wie den Palästinenser:innen. Statt uns jedoch friedlich laufen und protestieren zu lassen, hatte die Berliner Polizei andere Pläne: Noch bevor die Demo loslaufen konnte, haben sie bereits vier Personen festgenommen. Der Vorwand seien „verbotene Parolen“ gewesen, dabei haben verschiedene Gerichte mittlerweile geurteilt, dass Slogans wie „From The River To The Sea“ oder „Yallah Intifada“ nicht volksverhetzend oder anderweitig strafbar sind.
Nach den ersten Festnahmen während die Demo noch stand und der Demozug endlich vom Startpunkt am Südstern losgehen konnte, begann eine der heftigsten Gewaltausbrüche durch die deutsche Polizei gegen die Internationalist Queer Pride. Besonders der Palästinablock wurde mehrfach angegriffen: Bereit zu Beginn drückten Polizist:innen die Demonstrierenden provokant zusammen und ließen ihnen immer weniger Platz zum Laufen, bis sie die Gewalt gegen den Block eskalierten und mit Fäusten und Tritten auf die Menschenketten los schlugen wie wild gewordene Tiere.
In einer Situation wurden Menschen, die sich hinter einer Baustellenabsperrung abseits des Demonstrationszuges aufhielten, in eine Baustellengrube gestürzt. Die Polizei versuchte, gegenüber der Baustelle in den Demonstrationszug einzudringen, wurde jedoch von den Protestierenden zurückgedrängt. Vermutlich auf der Suche nach einem Weg trotzdem durchzukommen, wurden die Baustellenabsperrungen von zwei Polizisten niedergetreten, sodass die Menschen hinter den Absperrgittern nach hinten fielen, vier bis fünf von ihnen in die Baustellengrube – darunter ein:e Journalist:in von Klasse Gegen Klasse. Ein Polizist ist unmittelbar nach dem Sturz direkt mit in die Grube gesprungen, wohl um jemanden festzunehmen. Mindestens eine Person musste von den Sanitäter:innen direkt in der Grube behandelt werden.
Diese Polizeigewalt traf den Demozug von beiden Seiten. Nach kurzer Zeit zielte sie auch weit über den Palästinablock hinaus, sodass irgendwann das erste Drittel des gesamten Demozugs angegriffen wurde. So gab es auch im Red-Pink Bloc von RIO, Waffen der Kritik und RSO immer heftigere Angriffe bis hin zum Einsatz von Pfefferspray. Mehrere Personen im unmittelbaren Umfeld wurden festgenommen, darunter mehrere minderjährige Personen.
Noch bevor die Demo ihr Ziel am Kottbusser Tor erreichen konnte, wurde sie von der Polizei aufgelöst. Fast 60 Festnahmen soll es gegeben haben. Im offiziellen Polizeibericht lügt und rechtfertigt die Polizei ihre Gewalt:
„Aus dem Aufzug heraus wurden wiederholt antisemitische Parolen gerufen. Aus diesem Grund wurden einzelne Personen vorläufig festgenommen. Die Einsatzkräfte wurden mit Flaschen und Farbbeuteln beworfen, mit Fahnenstangen und gezielten Faustschlägen angegriffen und verletzt. Bei den Festnahmen wurde körperlicher Zwang durch die Einsatzkräfte angewendet.“
Videos widerlegen Teile dieser Darstellung. In unserer Redaktion vorliegenden Videos ist zu sehen, wie die Cops sich näher und näher auf Seitentransparente zu bewegen, versuchen die Demoteilnehmer:innen einzuengen und dann mit Faustschlägen auf die Transpis draufschlagen, um die Demoteilnehmer:innen bewusst zur Gegenwehr provozieren. In einer anderen Situation haben Beobachter:innen einen besonders aggressiven Beamten bemerkt, der sich zähneknirschend die Fäuste in die Hände schlug und es wohl kaum abwarten konnte, endlich draufzuhauen.
Die queere Bewegung ist schon immer auch eine, die sich gegen die Polizei richtet. So waren die Stonewall Riots, auf die sich die Pride-Demos beziehen, spontane Aufstände gegen andauernde Polizeirazzien in queeren Bars in New York. Und auch heute, in Zeiten wo queeres Leben instrumentalisiert wird, um einen Genozid zu rechtfertigen, kann auch die Präsenz von Berlins Bürgermeister Wegner (CDU) auf dem kommerzialisierten CSD nicht davon ablenken, dass seine Polizei queeren internationalistischen Protest in aller Härte niederschlägt, sobald er sich gegen die Staatsräson wendet.