US: Wahlkampf gegen Abtreibungsrecht

08.09.2012, Lesezeit 6 Min.
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Debatte um Schwangerschaftsabbrüche im US-Wahlkampf: Die Ansichten des Kongressabgeordneten Todd Akin sind bei den RepublikanerInnen durchaus mehrheitsfähig.

Nachdem am Donnerstag, dem 30. August, in Tampa beendeten Parteitag der US-RepublikanerInnen versucht der nun offizielle Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, seinen Wahlkampf auf einen Spruch zu reduzieren, mit dem Ronald Reagan vor 32 Jahren gewann: „Geht es Ihnen besser als vor vier Jahren?“ Denn so sehr der roboterhaft wirkende Mormone und Multimillionär Romney die WählerInnen abstößt, so stark ist auch die Unzufriedenheit wegen der unter Präsident Obama anhaltend hohen Arbeitslosigkeit. Doch in den letzten Wochen geht es im Kampf um Stimmen einmal mehr vor allem um das, was im US-Sprachgebrauch „social issues“ genannt wird, aber vor allem persönliche Rechte – wie das auf Schwangerschaftsabbruch – meint.

Zugespitzt wurde die Debatte durch Todd Akin, republikanischer Kongressabgeordneter und Kandidat für den Senat aus dem Bundesstaat Missouri. Dass er Abtreibungen selbst im Falle von Vergewaltigungen ablehnt, begründete er in einem Fernsehinterview mit dem Hinweis, dass der weibliche Körper im Fall einer „legitimen Vergewaltigung“ Möglichkeiten hat, „das ganze Ding abzuschließen“, also eine Schwangerschaft zu blockieren. Die Theorie, nach der nur eine „freudige“ Gebärmutter empfängnisbereit ist, stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Doch eine politische Entgleisung besteht bekanntlich meist darin, dass einE PolitikerIn versehentlich das ausspricht, was er/sie wirklich denkt. Und tatsächlich sind solche Ansichten unter republikanischen PolitikerInnen im 21. Jahrhundert weit verbreitet. „Hormone“, „Sekrete“ oder „Safte“ sollen demnach als natürliches „Verhütungsmittel“ bei sexueller Gewalt wirken. Das ist nicht nur ein Zirkelschluss von absoluten AbtreibungsgegnerInnen – soll eine Frau durch Gewaltanwendung schwanger werden, dann muss es ihr „gefallen“ haben, womit es keine „legitime Vergewaltigung“ wäre – sondern klingt auch verdächtig nach einem Argument von Vergewaltigern.

Romney und Paul Ryan, der in Tampa offiziell zum republikanischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten gekürt wurde, haben Akin im Bemühen um Schadensbegrenzung zum Rücktritt aufgefordert. Romney selbst spricht sich indes zwar für ein Recht auf Abtreibung zumindest nach Vergewaltigung, Inzest und bei Gefahr für das Leben der Frau aus. Doch die Planungskommission des Parteitages verabschiedete vor dessen Beginn eine „Plattform“, nach der Abtreibung auch in diesen Fällen strikt abgelehnt wird. Zwar spielt der republikanische Sprecher des Abgeordnetenhauses diese Passage herunter – „Kennen Sie jemand, der die Parteiplattform durchgelesen hat?“ fragte er rhetorisch, doch gerade Paul Ryan vertritt explizit ähnliche Ansichten wie Akin. So unterstützte er als Kongressabgeordneter gemeinsam mit seinem Kollegen aus Missouri eine Gesetzesvorlage, nach der nur eine „gewaltsame Vergewaltigung“ zum Schwangerschaftsabbruch berechtigen sollte. Er ist nach eigenen Angaben „so ›pro-life‹, wie ein Mensch nur sein kann“.

1973 wurde das Recht auf Abtreibung vom Obersten Gerichtshof der USA als Grundrecht definiert. Doch auf der Ebene der Bundesstaaten versuchen AbtreibungsgegnerInnen, den Frauen dessen Inanspruchnahme so schwer wie möglich zu machen. So existiert in Mississippi bei fast drei Millionen EinwohnerInnen nur noch eine einzige Klinik, in der Abbrüche vorgenommen werden. Ein im Frühjahr dieses Jahres verabschiedetes Gesetz sollte dafür sorgen, dass der Eingriff auch hier nicht mehr durchgeführt werden kann. Nur ein Gerichtsentscheid im Juli verhinderte bis auf weiteres die Schließung der „National Women’s Health Organization“ in Jackson. Der republikanische Gouverneur Phil Bryant verfolgt jedoch weiter das Ziel, „Mississippi zum ersten abtreibungsfreien Bundesstaat der USA zu machen“. Betroffen wären erneut vor allem arme Frauen, schwarze besonders, die sich Reisen in liberalere Bundesstaaten nicht leisten können. ÄrztInnen, die den Eingriff noch ausführen, werden in den USA häufig bedroht, einige sind bereits Mordanschlägen zum Opfer gefallen.

Ein Gesetz von diesem Jahr in Virginia schreibt eine Ultraschallaufnahme vor einer Abtreibung vor. Eine besonders umstrittene Gesetzespassage, die im ersten Trimester eine vaginale Sonde erfordert hätte, wurde erst in letzter Minute gestrichen. Der Versuch weiblicher Parlamentsabgeordneten in mehreren Bundesstaaten, eine Rektaluntersuchung vorzuschreiben, um ein Rezept für Viagra zu bekommen, scheiterte allerdings.

Im krassen Gegensatz zum fanatischen Kampf der Konservativen für das „ungeborene Leben“ steht die asoziale Politik der RepublikanerInnen, unter der Millionen armer Kinder am meisten leiden. Die republikanischen Haushaltsentwürfe sehen massive Kürzungen bei Lebensmittelprogrammen für arme Familien vor. Dies zeigt einmal mehr, dass es in der Abtreibundsdebatte in Wirklichkeit nicht um das Lebensrecht von Föten geht, sondern um Kontrolle über die Körper der Frauen.

So wurde Parlamentarierinnen im Abgeordnetenhaus von Michigan das Wort entzogen, weil sie überhaupt das Wort „Vagina“ vor dem Plenum aussprachen. Bei einer Anhörung im Kongress über Verhütungsmittel, die neuerdings auch religiöse Krankenkassen übernehmen müssen, wurden von den RepublikanerInnen nur Männer eingeladen. Eine Studentin, die vor dem Ausschuss aussagen wollte aber nicht durfte, wurde später vom rechten Radiomoderatoren Limbaugh als „Schlampe“ und „Prostituierte“ bezeichnet, weil sie teuere Verhütungsmittel nicht aus eigener Tasche leisten konnte.

Es wäre allerdings zu einfach, diese anachronistisch wirkende Debatte auf die „puritanische“ Tradition der USA zu reduzieren. Denn die anhaltende Krise der früheren Hegemonialmacht löst große Unsicherheiten unter den Mittelschichten aus, die in einer angestrebten Sexualmoral zum Ausdruck kommen, die es eigentlich nur in den Fernsehserien der 50er Jahre gab. Obama stellt sich zwar gerade als Verteidiger der Frauenrechte vor und das Thema nimmt immer mehr Platz in den Medien ein, doch nur eine eigenständige Frauenbewegung wird diese reaktionären Ideologien zurückdrängen können.

Dieser Artikel erschien zuerst auf indymedia.

Eine kürzere Version dieses Interviews erschien in der jungen Welt am 31. August 2012 Mittelalterliche Theorien

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