Sexismus in den eigenen Reihen

15.02.2015, Lesezeit 5 Min.
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// FRAUEN: Immer noch ist die organisierte ArbeiterInnen­bewe­gung männlich geprägt, in Arbeitskämpfen und Basis­gruppen sind vor allem Männer aktiv. Warum ist das so? //

In vielen Arbeitskämpfen der letzten Jahre waren es vor allem männliche Arbeiter, die eine öffentlich sichtbare Rolle eingenommen haben – auch in Sektoren wie beispielsweise im Einzelhandel, wo Frauen einen Großteil der Beschäftigten ausmachen.

Liegt das daran, dass Frauen einfach zufriedener sind mit schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen, wie einige bürgerliche Studien behaupten? Oder daran, dass Frauen einfach nicht so kämpferisch sind? Beides mag sich so beobachten lassen, aber der dahinter­liegende Grund ist kein irgendwie gearteter natürlicher Unterschied zwischen Männern und Frauen, sondern Resultat einer sexistischen Gesellschaft, in der Frauen besonders unterdrückt werden.

Gesellschaftliche Hürden

Frauen tragen oft die Hauptverantwortung für den Haushalt und die Kinder – im Schnitt arbeiten sie doppelt so viele Stunden wie Männer unbezahlt im Haushalt. Dadurch sind sie zeitlich sehr eingeschränkt – eine reale Hürde, wenn es darum geht, aktiv zu werden. Dabei ist die Arbeitsteilung von ihnen oft gar nicht selbst gewählt, sondern ergibt sich aus einem Arbeitsmarkt, der Frauen massiv benachteiligt: Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer, sind öfter teilzeitbeschäftigt, oft auch mit mehreren Minijobs gleichzeitig.

Diese Arbeitsmarktsituation wirkt entmutigend. Denn die Aussichten sind überall gleich schlecht, der eigene Job wird sowieso nur als Zuverdienst gesehen oder als einer von vielen anderen prekären Jobs, die gleichzeitig geleistet werden. Hinzu kommt eine Sozialisierung, in der Frauen schon von klein auf signalisiert wird, dass sie weniger Recht als Männer haben, Raum einzunehmen und etwas für sich zu fordern. Männer lernen umgekehrt, dass sie vor allem anderen Männern zuhören müssen, weil sie Wichtiges zu sagen haben. (Unbewusste) sexistische Haltungen von Kollegen stellen somit oft auch Hürden für Arbeiterinnen dar, ihre eigenen Kämpfe aktiv voranzutreiben.Eigene Forderungen

Innerhalb der ArbeiterInnenbewegung muss dafür gekämpft werden, dass das anders wird. Und zwar nicht nur, weil dadurch beispielsweise die Streikfront durch mehr Streikende gestärkt wird. Sondern auch, weil es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten und Rechte haben, wie Männer! Außerdem verlieren wir wichtige Perspektiven, wenn Frauen nicht Teil eines Kampfes sind – sie haben in dieser Gesellschaft oft andere Probleme, aus denen sich wichtige Forderungen ergeben. Kollegen übersehen diese Forderungen aber gerne, gerade wenn Frauen keine Möglichkeit haben, sie aufzustellen. Beispiele dafür sind Probleme bei der Kinderbetreuung, den Arbeitszeiten, sexuelle Übergriffe bei der Arbeit oder unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen.

Um Frauen den Mut zu geben, öffentlich aufzutreten und ihre eigenen Forderungen zu formulieren, reicht es nicht aus, Frauen einfach so zu integrieren (obwohl auch das besser ist als nichts), sondern sie müssen sich auch als Frauen in Gruppen oder Komitees organisieren. Denn das schafft einen Raum, in dem sie erkennen, dass sie gemeinsame Interessen haben, die sie auch gemeinsam nach außen formulieren können. So können Frauen leichter eine aktive Rolle in ihren eigenen Arbeitskämpfen einnehmen – als Arbeiter­innen und als Frauen.

Ein Beispiel unter vielen dafür ist der Arbeitskampf bei Panrico im Spanischen Staat, einer Donutfabrik, bei der acht Monate lang gegen Entlassungen gestreikt wurde. Bei diesem Kampf spielten Frauen eine außerordentlich wichtige Rolle und ihre Organisierung hat die Kampfkraft des Streiks enorm erhöht. Sie waren zentral für die Vernetzung und Solidarität mit anderen Arbeitskämpfen, vor allem bei Coca Cola, und kämpften auch als Arbeiterinnen an vorderster Front gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetze durch die konservative Regierung. Diese weibliche Organisierung entstand nicht spontan, sondern wurde von der sozialistischen Frauenorganisation Pan y Rosas aktiv vorangetrieben.

Selbstorganisierung

Wir sollten uns also immer fragen: Wo sind bei diesem Kampf die Frauen? Und wenn sie nicht da sind: Woran liegt das? Oft halten einfache Probleme sie davon ab, teilzunehmen – wäre es nicht beispielsweise möglich, Kinderbetreuung während eines Streiks zu organisieren? Was ist die Perspektive von Frauen in unserem Kampf? Wie können wir Frauen in ihrer Selbstorganisierung unterstützen? Nur wenn wir uns diesen Fragen stellen, können wir behaupten, erste Schritte dahin zu gehen, der Unterdrückung von Frauen im Kapitalismus etwas entgegenzusetzen.

Außerdem müssen wir uns gegen die Wahrnehmung stellen, dass Kämpfe in „männlichen“ Sektoren wichtiger wären – indem wir beispielsweise die Erzieher­Innen in ihrem kommenden Streik unterstützen.

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