Rede: Refugee Schul- und Unistreik München

14.02.2014, Lesezeit 7 Min.
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// Wir veröffentlichen hier eine Rede vom Bündnis Refugee Schul- und Unistreik München. Sie wurde am 13. Februar 2014 von Baran Serhad im Namen der Studierenden bei der Abschlusskundgebung auf dem Münchner Marienplatz gehalten. //

Liebe Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende,

wir sind heute auf der Straße, um uns als aktive MitstreiterInnen mit den Geflüchteten zu solidarisieren. In den letzten Jahren haben die Geflüchteten in unterschiedlichen Formen von Aktionen gegen die rassistische Gesetze Widerstand geleistet: Es gab trockene Hungerstreiks, Protestmärsche, Demonstrationen, Protestcamps, die Besetzung des Münchner Gewerkschaftshauses und einen breiten SchülerInnenstreik in Hamburg. Den Hamburger SchülerInnenstreik wollen wir jetzt bundesweit ausweiten.

Gleichzeitig erleben die Geflüchteten sowohl rassistische Angriffe als auch Repressionen seitens des bürgerlichen Staates. Wir dürfen nicht schweigen, während die Geflüchteten unterdrückt und sogar ermordet werden! In München-Germering wurden Geflüchtete durch Brandstiftung auf das AslybewerberInnenheim bedroht und in Hamburg ermordet. Sie flohen vor Krieg und Krise und stellten sich in Deutschland ein besseres Leben vor. Wir forden: Umfassende und sofortige Aufklärung des Brandanschlages auf das AsylbewerberInnenheim in München-Germering und des Brandanschlags in Hamburg!

Der deutsche Imperialismus, der weltweit eine wichtige ausbeuterische Rolle spielt, verursacht mittels militärischen und wirtschaftlichen Interventionen, Krise, Armut, Flucht und Vertreibung. Beispiele gehen von Afghanistan über Mali und Zentralafrika bis Griechenland und die Ukraine. Der deutsche Imperialismus befindet sich in einer Phase verstärkter hegemonialer Bestrebungen. Schon versprechen Kriegsministerin von der Leyen, Außenminister Steinmeier und Bundespräsident Gauck ein starkes Engagement in der Außenpolitik. Aufgrund der imperialistischen Interventionen sehen sich viele Menschen dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um sich ein gutes Leben schaffen zu können. Doch die Hoffnungen des größten Teils der MigrantInnen auf ein Leben ohne Unterdrückung und Ausbeutung werden oft vernichtet, da die rassistische Gesetzgebung in der BRD den Zugang zu demokratischen Rechten und zum Arbeitsmarkt deutlich erschwert. Stattdessen befinden sich Geflüchtete aufgrund von Einsperrung in Heimen, Arbeitsverbot, Residenzpflicht und Abschiebedrohung in erzwungener Deklassierung und im illegalisierten Status. Wir fordern daher: Anerkennung aller Asylanträge! Bleiberecht für alle!

Gleichzeitig sterben Geflüchtete vor den europäischen Grenzen durch die Abschottungspolitik der EU-Staaten, die von der BRD forciert wird. Seit den 70er Jahren stoppten die meisten europäischen Staaten die Arbeitsimmigration und verschärften die Gesetzgebung, um MigrantInnen zu zwingen das Land zu verlassen. Heute richtet Frontex Lager in den nordafrikanischen Ländern ein und nimmt hunderte Tote im Jahr durch Schiffssenkungen im Mittelmeer bewusst in Kauf. Daher sagen wir: Gegen die rassistische Abschottungspolitik der EU – Nie wieder Lampedusa! Nieder mit „Frontex“!

Wir müssen die gemeinsamen Interessen der ArbeiterInnenklasse erkennen, während die Prekarisierung sich stark ausweitet und die am meisten entrechteten Teile der ArbeiterInnenklasse mit rassistischen Mitteln angegriffen werden. Die Forderungen der Geflüchteten müssen verallgemeinert werden und sich in letzter Instanz gegen den bürgerlichen Staat insgesamt richten. Dazu müssen die demokratischen Forderungen der Geflüchteten verbunden werden mit einem Programm gegen Prekarisierung, gegen die kapitalistische Krisenpolitik und gegen die Regierung. Wir fordern: Volle Bewegungsfreiheit, volles Arbeitsrecht und Wohnrecht!

Der Kampf der Geflüchteten kann nicht auf individueller Ebene gewonnen werden. Wir haben die Aufgabe, diesen Kampf in breite gesellschaftliche Sektoren auszuweiten. Für die Erfüllung der Forderungen braucht es nicht nur Demonstrationen und Protestcamps, sondern auch Streiks von den großen Gewerkschaften. Immer wieder haben die Geflüchteten auch die Unterstützung der Gewerkschaften gesucht. In Hamburg wurden 300 Geflüchtete in ver.di aufgenommen. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Schulstreik für die Geflüchteten in Hamburg am 12. Dezember unterstützt. Wir begrüßen diese Unterstützung, aber sie ist nicht ausreichend, um die Rechte der Geflüchteten als unterster und entrechtetster Teil der ArbeiterInnenklasse durchzusetzen. Erst wenn die Gewerkschaften sich mit Kundgebungen, Versammlungen, Streiks bis hin zum Generalstreik für die Forderungen der Geflüchteten einsetzen, wäre das ein großer Schritt zur tatsächlichen Durchsetzung. Wir rufen die Gewerkschaften dazu auf, sich aktiver mit den Geflüchteten zu solidarisieren. Wir fordern: Schon jetzt Aufnahme aller Geflüchteten in die Gewerkschaften! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

In den Schulen und Unis werden die Lehrpläne nach den Interessen der KapitalistInnen ausgerichtet. Wir Studierende dürfen unsere Lehrpläne nicht selber bestimmen, während die Hochschulen im Dienst es Kapitals stehen, an der LMU Rüstungsforschung stattfindet, die Bundeswehr an den Schulen und Universitäten Kriegspropaganda machen darf und die Plagiatsministerin Annette Schavan in den Hochschulrat der LMU berufen wird. Wir brauchen gemeinsam die Unabhängigkeit von Schulen und Hochschulen unter der Kontrolle der Lernenden und Beschäftigten! Konzerne und Bundeswehr raus aus den Hochschulen und Schulen! Die Schülerinnen und Schüler, Studierenden und Auszubildenden sollen in eigenen Strukturen Streikkomitees aufbauen, um die Initiative als eine Kampagne fortsetzen und die Lehrenden und die Lernenden erreichen zu können. Wir als SchülerInnen, Studierende und Auszubildende fordern Uneingeschränkte Bildung für Refugees! Freier Zugang zu Hochschule und Ausbildung, und Anerkennung aller Abschlüsse! Kostenloser Deutschunterricht als Fremdsprache vor Ort und das Recht, in der Erstsprache unterrichtet zu werden! Schluss mit rassistischen Inhalten in Bildungseinrichtungen und Lehrmaterialien!

Der Kampf der Geflüchteten hat nicht heute begonnen und endet auch nicht heute. Seit dem Beginn des Kampfes haben AktivistInnen trotz aller Repressionen Solidarität bewiesen. Wir erklären uns solidarisch mit allen AktivistInnen, die für die Rechte der Unterdrückten in Hamburg und anderen Städten auf die Straßen gehen und dafür kriminalisiert werden. Stop der Polizeigewalt und der Räumungsversuche von Protestcamps! Einstellung aller Strafverfahren gegen alle AktivistInnen und Geflüchteten!

Wie lange noch soll der deutsche Imperialismus im Dienste des Kapitals Kriege und Krisen produzieren? Wie lange noch soll der deutsche Imperialismus Hunger, Armut, Flucht und Vertreibung produzieren? Wir müssen ganz laut sagen: Es reicht! Wir müssen uns organisieren, während sich der imperialistische Hauptfeind verstärkt! Wir benötigen einen Klassenkampf, denn auch wenn einige Geflüchtete ihre Forderungen erreichen, werden sie nicht vom Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital befreit. Der Kapitalismus produziert Rassismus, Sexismus, Prekarisierung und beabsichtigt dabei die Aufrechterhaltung der Konkurrenz und die Spaltung der ArbeiterInnenklasse. Die Frage der Flucht und Arbeitsmigration bleibt aktuell. Wir können die Frage der Flucht und Migration nicht überwinden, wenn wir den Imperialismus nicht zerstören.

Das Kapital verspricht nur Kriege und Barbarei für die Menschheit. Der Rassismus, Sexismus, Flucht, Arbeitsmigration, Prekarisierung und Deklassierung sind unmittelbare Ausprägungen der kapitalistischen Gesellschaft. Wir können die Geflüchtetenfrage nicht mit Hilfe des Kapitalismus überwinden. Deshalb hat unser Ziel der Zerstörung des Imperialismus vollständige Aktualität. Wir brauchen die revolutionäre Alternative zur Herrschaft der Klasse von KapitalistInnen, die heute die Welt mittels Ausbeutung, Unterdrückung und Kriegen beherrscht. Nur mit der Klassensolidarität der internationalen Lohnabhängigen, der Studierenden, der an den Rand gedrückten und am meisten entrechteten Teile der Gesellschaft und nur unter der Führung der ArbeiterInnenklasse können wir eine revolutionäre Antwort auf den imperialistischen Hauptfeind geben.

Wir haben die Aufgabe, unsere heute begonnen Bemühungen zu kontinuisieren und auszuweiten. Dazu brauchen wir vor allem demokratische Kampagnen, den Aufbau von Streikkomitees an den Hochschulen und Schulen, die Teilnahme der Gewerkschaften und eine bundesweite Vernetzung.

Kein Mensch ist illegal! Bleiberecht überall!

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