Offener Brief an die PSG

07.11.2012, Lesezeit 4 Min.
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Liebe GenossInnen der Partei für Soziale Gleichheit,

zum 95. Jahrestag der Oktoberrevolution organisieren wir eine Reihe von Veranstaltungen, auf denen wir unter anderem eine Neuauflage der „Kopenhagener Rede“ von Trotzki vorstellen werden. Dazu wollten wir den 1937 erschienenen Film „Vom Zar zu Lenin“ zeigen. Uns hat es sehr überrascht, dass das führende PSG-Mitglied Peter Schwarz in einer Mail vom 6. November mit „juristischen Schritten gegen RIO und das Café Commune“ drohte, weil der Film urheberrechtlich geschützt ist.

Wir denken, dass die Aufgabe von TrotzkistInnen darin besteht, das Erbe von Trotzki einem möglichst großen Publikum zugänglich zu machen. Genau das macht unsere internationale Strömung, die „Trotzkistische Fraktion – Vierte Internationale“ (FT-CI). Das Forschungszentrum „CEIP León Trotsky“ hat bereits Dutzende Bücher von Trotzki und über die trotzkistische Bewegung veröffentlicht. Der Internetfernsehsender TV.PTS hat zahlreiche Dokumentarfilme zu aktuellen und historischen politischen Themen produziert. Alle diese Werke sind im Internet frei zugänglich, weil es unser Anliegen ist, dass möglichst viele ArbeiterInnen und vor allem die junge Generationen Zugang dazu finden.

Deswegen wundert es uns, dass die Führung der PSG und ihrer internationalen Strömung, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (ICFI), grundsätzlich anders vorgeht. Wie glaubt ihr, die Inhalte des Trotzkismus mit Hilfe des Urheberrechts und des bürgerlichen Staates besser verbreiten zu können? Verteidigt ihr das Urheber- und Patentrecht, wie zum Beispiel der mit der US-amerikanischen Socialist Workers‘ Party (SWP) verbundene Verlag Pathfinder dies tut? (Pathfinder hat bekanntlich das Marxists Internet Archive ebenfalls mit einer Urheberrechtsklage bedroht.)

Obendrein erklärt „Mehring Books“ eine Vorführung des Filmes für „prinzipienlos“. Könnt ihr uns erklären, seit wann das Urheberrecht zu den Prinzipien der revolutionären MarxistInnen gehört? Ihr wisst, dass Trotzkis Artikel Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre in Deutschland nicht nur von seinen eigenen Anhängern sondern auch von anderen Gruppen veröffentlicht wurden. Findet ihr es auch prinzipienlos, dass Trotzki selbst nicht auf sein Urheberrecht pochte sondern eine möglichst breite Verbreitung seiner Werke wünschte? Wir laden alle GenossInnen der PSG dazu ein, diese Fragen mit uns zu diskutieren.

Wir schlagen euch vor, trotz der gut dokumentierten Differenzen zwischen unseren beiden Organisationen (siehe Links unten), gemeinsam an der Verbreitung des Erbes von Trotzki – und dazu gehört dieser Film – zu wirken. Dazu gehört, dass der Mehring-Verlag alle Trotzki-Werke im Internet zur Verfügung stellt, wie das Trotzki-Archiv es tut, damit besonders arme Schichten des Proletariats diese Werke in deutscher Sprache lesen können. Da scheinbar auch beide Gruppen ein Interesse an einer Vorführung dieses Films haben, könnten wir auch eine große, gemeinsame öffentliche Vorführung organisieren (und da wir politische Differenzen nicht verwischen wollen, könnten wir das auch mit einer Diskussion über den Trotzkismus und das Urheberrecht verbinden).

Mit sozialistischen Grüßen,
RIO

P.S. wir werden unsere gesamte Korrespondenz im Internet zur Verfügung stellen, und schlagen euch vor, dass ihr das ebenfalls tut, damit die fortschrittlichsten Sektoren der ArbeiterInnen und der Jugend sich ein besseres Bild von der PSG und von RIO machen können.

Absage und Ankündigung

Da wir unsere sehr knappen finanziellen Mittel ganz der Verbreitung der Ideen Trotzkis und nicht juristischen Auseinandersetzungen widmen möchten, und da wir auf keinen Fall das Café Commune in Mitleidenschaft ziehen möchten, sehen wir uns leider gezwungen, die Filmvorführung abzusagen. Dafür werden wir die Neuauflage der Broschüre „Verteidigung der Oktoberrevolution“ vorstellen und andere Filmausschnitte zeigen. Alle sind herzlich eingeladen!

95 Jahre Oktoberrevolution
Vorstellung der Neuauflage der Broschüre “Verteidigung der Oktoberrevolution”
Donnerstag, 15. November, 19 Uhr, Café Commune, Reichenberger Str. 157

Weiterführende Links

Artikel zu den Berliner Wahlen 2011
Artikel zum Charité-Streik
Austrittsbrief an die ISSE
Artikel zu den Bundestagswahlen 2009

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