Neoliberalismus und Rechtspopulismus

07.09.2016, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Der Rechtspopulismus wird in diesen Tagen in Deutschland salonfähig. In der kulturbunten und von Arbeitskämpfen geprägten Stadt Berlin soll die fremdenfeindliche AfD laut einer Umfrage von Infratest auf 15 Prozent kommen. Ideologischer Vorreiter und Steigbügelhalter der AfD ist der Neoliberalismus, der auf ähnliche Strategien setzt wie die AfD bei der Rekrutierung neuer "Wutbürger".

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Wenn Unternehmen durch Outsourcing zerschlagen und damit der solidarische Zusammenhalt zerstört wird und die betrieblichen Strukturen für die Arbeiter*innen unübersichtlich werden und sich in der Folge Beschäftigte mit ihrem Unternehmen nicht mehr identifizieren können, dann profitieren Rechtspopulist*innen und man bekommt ein Gefühl davon, was sie mit Europa vorhaben.

Wenn ein Unternehmen Betriebsteile ausgliedert, um Lohndumping zu betreiben, und die Belegschaft damit konfrontiert, dass es unterschiedliche Klassen an Beschäftigten gibt und dass von diesem Mehrklassensystem der Profit des Einen gleichzeitig die Armut des Anderen bedeutet, dann ist das das gleiche unsolidarische Denkmuster, dass die AfD bei ihrer Wähler*innenschaft lediglich nur noch abrufen muss, um für die Ausgrenzung und Abschiebung von Geflüchteten zu werben.

Wenn Beschäftigten mit Arbeitslosigkeit gedroht wird, weil sie sich für gerechte Löhne einsetzen, dann schürt man Existenzängste. Existenzängste, die Rechtspopulist*innen bei den Wahlen in die Hände spielen werden.

Wenn Beschäftigte systematisch gemobbt werden, wenn hierzu noch weitere Beschäftigte als Handlanger eingesetzt werden, dann ist das vom sozialen Verhaltensmuster nichts anderes, wie wenn „Wutbürger“ um ein Geflüchtetenheim stehen und Brandsätze werfen.

Wenn Beschäftigte dazu ermuntert werden, sich gegen Betriebsräte und Gewerkschaften und deren Mitbestimmungsrechte zu positionieren, dann ist das ein Angriff auf die Demokratie und wirkt destabilisierend auf unsere Gesellschaft. Bekanntlich entsteht so der perfekte Nährboden für Rechtspopulist*innen.

Wenn Unternehmen Tarifflucht begehen und Gewerkschaften aus den Betrieben verdrängen, dann riskieren sie, dass sich Arbeitnehmer*innen in Zukunft mit ihren Forderungen an die falschen Leute wenden, womöglich auch an Rechtspopulist*innen.

Wenn unsere Regierung als juristische Wegbereiterin für Ausgründungen, Outsourcing, Werkverträge und Leiharbeit fungiert, dann beteiligt sie sich daran, dass die betriebliche Organisation unterbunden wird. Wenn unsere Regierung also duldet, dass die demokratischen Strukturen in den Unternehmen von Unternehmensberater*innen und Anwält*innen zurück gedrängt und damit ins Wanken geraten, werden sie am Ende feststellen, dass die Funktion der Gewerkschaften als Sprachrohr zu den Arbeitnehmer*innen in den Unternehmen nicht mehr vorhanden sein wird. Sie werden keinen Einfluss mehr haben und Rechtspopulist*innen haben leichtes Spiel, diese Rolle einzunehmen.

Wenn Streikende denunziert werden, wie es beim Streik der Deutschen Bahn der Fall war, wenn das Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl der Belegschaft erschüttert werden soll und Menschen gegeneinander aufgebracht werden, dann ist das Ziel Spaltung und Spaltung ist das Gegenteil von Solidarität, die Denkweise der Rechtspopulist*innen. Dabei wirken gerade Streiks solidarisierend, weil Beschäftigte aller Herkunftsländer und Kulturen für eine Sache kämpfen und oftmals gerade dieser und viele andere gewerkschaftliche Prozesse zur Integration und zur politischen Aufklärung im Betrieb beitragen.

Wenn in Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen werden – mehr als dreimal so viel, wie für „Hartz IV“ ausgegeben wird – und das Geld, das dringend für Bildung, Kultur und Soziales gebraucht würde, stattdessen in den Oasenländern vermehrt wird und den Arbeiter*innen das berühmte Loch im Haushalt im Kampf um faire Löhne entgegen gehalten wird, ist das ein Zeichen, dass sich die Regierung längst auf Seiten der steuerflüchtigen Konzernen positioniert und sich gleichzeitig – vom eigentlichen Motor des Landes – den Arbeiter*innen abgewendet hat. Immer mehr Arbeiter*innen verlieren dadurch das Vertrauen in den Rechtsstaat und wir können beten, dass sie die Weitsicht haben, nicht die AfD zu wählen, denn die AfD profitiert geradezu von der Gesinnung eines verängstigen Volkes an der kurzen Leine.

Um dem Rechtsruck entgegen zu wirken, braucht es keine Symbolpolitik und nur bedingt Antirassismus-Bekundungen vor Bundesligaspielen. Es braucht viel mehr eine umgehende Stabilisierung der Arbeitsbedingungen und die sofortige Abschaffung von Hartz IV. Das offensichtlich abhanden gekommene Heimatgefühl einiger Menschen kann nicht durch fremdenfeindliche Parteien wie der AfD wieder hergestellt werden. Der Schlüssel liegt im Wesentlichen in der sofortigen Abschaffung der Ausbeutung der Arbeiter*innen und der Arbeitssuchenden sowie in der Renaissance der gesunden Betriebe, denen sich die Arbeiter*innen wieder zugehörig fühlen.

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