Linker als vorher – perspektivlos wie immer

14.01.2012, Lesezeit 15 Min.
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// Eine Kritik des neuen Programms der Linkspartei //

Die Linkspartei liegt mitten in der kapitalistischen Krise am Boden: Laut mancher Umfragen liegt sie sogar hinter der Piratenpartei. Wenn die Linkspartei in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit auftauchte, dann mit politischen Fehltritten einzelner prominenter Mitglieder, internen Schlachten um den Parteivorsitz und der Affäre zwischen Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht. Fast völlig abwesend war sie aber von der Szene sozialer Proteste.

In dieser verheerenden Situation gab sich die Linkspartei nun ein neues Parteiprogramm[1]. Nachdem die Linkspartei bei der Fusion von WASG und Linke.PDS im Jahr 2007 lediglich „Eckpunkte”, also einige vage Aussagen über linke Politik ohne wirklichen Bezug zum Sozialismus, formuliert hatte, wurde auf dem Parteitag in Erfurt im Oktober 2011 und anschließend zusätzlich durch eine Mitgliederbefragung das erste offizielle Programm der Linkspartei angenommen.

Zum Einen soll hiermit ein Schlusspunkt unter die Flügelkämpfe innerhalb der Linkspartei zwischen „Realos“ und „Fundis“ gesetzt werden. Zum Anderen aber sollte man von einem Parteiprogramm, welches in Mitten der größten Krise des Kapitalismus seit den 1930ern verfasst wurde, eine Antwort auf die große Frage erwarten können, die sich die ArbeiterInnenbewegung momentan im Rest Europas stellt – und bald auch in Deutschland stellen muss, nämlich: Welche Strategie ist notwendig, damit die KapitalistInnen ihre Krise selbst bezahlen?

Kann das Programm diese Versprechen einhalten? Bietet dieses neue Programm einen Weg aus der Krise, also aus der Krise der Linkspartei und aus der Krise des Kapitalismus?

Klassengesellschaft ohne Klassenkampf

Im neuen Programm, welches pseudo-symbolträchtig in Erfurt verabschiedet wurde (wie das „Erfurter Programm“ von 1891, in dem sich die SPD nach ihrer Legalisierung ein explizit marxistisches Programm gab), hat die Linkspartei auf der analytischen Ebene eine Erscheinung erkannt, die sie bisher so nicht ausgesprochen hatte: „Deutschland ist eine Klassengesellschaft.“ In dem gleich betitelten Abschnitt wird auf die grundlegende Struktur des Kapitalismus als Aneignung des von Lohnabhängigen produzierten Mehrwerts durch die KapitalistInnen hingewiesen. Der Staat wird als vom Profitinteresse der KapitalistInnen bestimmter Apparat beschrieben und die sich strukturell immer weiter verschlechternde Situation der ArbeiterInnen, insbesondere des Niedriglohnsektors und der Erwebslosen, geschildert. Hinzu kommen weitere Elemente einer Gesellschaftsanalyse, die die Unterdrückung von Frauen und nicht-heterosexuellen Menschen sowie teilweise auch den Zusammenhang von Umwelt und Imperialismus mit dem Kapitalismus betreffen.

Insbesondere aufgrund der früher nicht vorhandenen Bezeichnung Deutschlands als Klassengesellschaft ist die Gesellschaftsanalyse im neuen Programm der Linkspartei – zumindest auf rhetorischer Ebene – linker als frühere programmatische Texte.

Doch das war es auch schon.

Wer sich fragen sollte, wie sich die Analyse Deutschlands als Klassengesellschaft auf die strategische Ausrichtung der Linkspartei auswirkt, dem sei versichert: gar nicht. Der für MarxistInnen logischen Schlussfolgerung, dass Klassengegensätze immer auch zu Klassenkampf führen, folgen die GenossInnen der Linkspartei gerade nicht. Tatsächlich kommt das Wort „Klassenkampf“ nicht ein einziges Mal in dem 60 Seiten langen Text vor. Denn letztlich passt der Klassenkampf nicht in das strategische Konzept der Linkspartei. Und so entpuppt sich die fortschrittlichere Gesellschaftsanalyse im Programm bei näherem Hinsehen als trojanisches Pferd, welches die „Realo“-Fraktion der Linkspartei gerade deswegen als Zugeständnis an die radikaleren Kräfte innerhalb der Linkspartei akzeptiert hat, weil sich eben durch sie nichts Entscheidendes ändert.

Und entscheidend sind hier vor allem drei Dinge:

Erstens versucht das Programm das Kunststück, den Klassenbegriff, der das Herzstück jeder marxistischen Gesellschaftsanalyse darstellt, im Zeichen einer „differenzierten“ Analyse vollständig unschädlich zu machen und so eine Radikalität vorzugaukeln, die gar nicht existiert. Während völlig zurecht erklärt wird, dass weder KapitalistInnenklasse noch ArbeiterInnenklasse homogene Gebilde sind und sich deswegen bestimmte Interessensgegensätze auch innerhalb der Klassen entwickeln, wird kaum ein Unterschied zwischen kurzfristigen und langfristigen Interessen, zwischen ideologischen Überformungen und strukturell-historisch bedingter materieller Interessen gemacht. So steht im Programm zwar, dass trotz der veränderten, differenzierteren Struktur der ArbeiterInnenklasse die Lohnabhängigen „das gemeinsame Interesse [haben], … die kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung zu beschränken“ (und warum nicht: abzuschaffen?), aber gleichzeitig wird den LeserInnen vorgegaukelt, dass die KapitalistInnen ein solches grundlegendes gemeinsames Interesse nicht hätten. So bestünden zwischen „großen Kapitalbesitzern und Finanzmagnaten“ einerseits und „kleinen und mittleren Unternehmern und Freiberuflern“ andererseits „unterschiedliche Interessen“, da letztere „zum Teil selbst unter der Übermacht des großen Kapitals“ litten und somit „durchaus auch Gemeinsamkeiten mit der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung“ aufwiesen. Kein Wort über das grundlegende gemeinsame Interesse der Verteidigung der Kapitalismus und kein Wort über die schwankende Natur dieses KleinbürgerInnentums, welches zwar theoretisch eine begrenzte Allianz mit dem Proletariat eingehen, sich aber genauso gut auf die Seite des Großkapitals schlagen kann, wie es im deutschen Faschismus passierte.

Doch diese Passage verrät uns noch mehr, denn hier eröffnet die Linkspartei ihr Lieblingsthema: die Trennung zwischen „produktiver Realwirtschaft“ und „zügelloser Finanzwirtschaft“, die es zu „bändigen“ gelte. Dass beide Sphären im Kapitalismus untrennbar miteinander verbunden sind und ohne einander gar nicht existieren könnten, verschweigt die Linkspartei glatt. Und erfindet so ein Szenario, in dem der Klassenkampf gar nicht notwendig ist und stattdessen wechselnde Strategien der Begrenzung und „schrittweisen Überwindung“ des Kapitalismus ausreichen, immer im Bündnis mit den Teilen der Bourgeoisie, die angeblich ein gemeinsames Interesse mit der ArbeiterInnenklasse aufweisen, ohne jedoch zu sagen, welches Interesse dies genau sei und in welchem Verhältnis beide Klassen in einer möglichen Allianz zueinander stehen sollten. Aber die verheerende „Volksfront“-Politik des Stalinismus hat unzweifelhaft gezeigt, dass eine Allianz der ArbeiterInnenklasse mit irgendwelchen Fraktionen der Bourgeoisie zwangsläufig scheitern muss.

Zweitens werden fundamentale Lehren aus der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung zwar im Selbstverständnis zu Beginn des Programms und an einigen wenigen weiteren Stellen angesprochen, doch keine konkreten Konsequenzen daraus gezogen. Insbesondere gilt das für die völlig fehlende Kritik an der Bürokratie innerhalb der ArbeiterInnenbewegung, sowohl der stalinistischen als auch der Gewerkschaftsbürokratie. Während im Falle des Stalinismus zumindest eine prinzipielle Ablehnung von Autoritarismus und bürokratischer Planwirtschaft und ein „Bruch mit dem Stalinismus“ beschworen wird – ohne jedoch zu erklären, wie dieser autoritäre, bürokratisierte Zustand entstand (also was die materiellen Ursachen für die Degenerierung der ArbeiterInnenstaaten waren) –, kommt der gesamte Text bei der Gewerkschaftsfrage trotz mehrfacher Anläufe nicht über die Feststellung hinaus, dass „kämpferische“ Gewerkschaften notwendig seien, um die Interessen der ArbeiterInnen zu vertreten. Kein Wort hingegen dazu, wie es denn gekommen ist, dass die Gewerkschaften heute nicht kämpferisch sind. Kein Wort über die Zwitterrolle der Gewerkschaften im Kapitalismus, die zwar die grundlegende Interessenvertretung der arbeitenden Massen darstellen, aber durch ihre Vermittlungsposition zwischen Arbeit und Kapital eine privilegierte Gewerkschaftsbürokratie erschaffen, die strukturell an die Weiterexistenz des Kapitalismus gebunden ist. Kein Wort somit darüber, dass die Gewerkschaftsbürokratien selbst die größten Bremsklötze für die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen sind. Und dass deswegen innerhalb der Gewerkschaften ein antibürokratischer Kampf an der Basis notwendig ist, um den Einfluss der GewerkschaftsbürokratInnen zu brechen. Und dabei meinen wir nicht nur die „kritische Auseinandersetzung“ mit diesem Phänomen, sondern dass wir für die Durchsetzung der Interessen der Lohnabhängigen ganz andere Gewerkschaften brauchen: Gewerkschaften mit demokratisch gewählten und jederzeit abwählbaren VertreterInnen, die einen durchschnittlichen ArbeiterInnenlohn verdienen. Aber weil sich die Linkspartei auf viele untere und mittlere GewerkschaftsfunktionärInnen stützt und dieses Bündnis noch weiter ausbauen will, ist sie gerade unfähig, diese Kritik zu äußern oder die Bürokratie auch nur als Problem wahrzunehmen.

Und drittens bietet das Programm, welches normalerweise ja die Aufgabe hätte, eine kohärente Perspektive und Strategie für die weitere Arbeit der Partei aufzustellen, statt einer gleich mehrere – sich allerdings gegenseitig ausschließende – Strategien an, die die Flügelkämpfe der Linkspartei zwischen dem rechten Teil der Linkspartei, der aus arrivierten BRD-PolitikerInnen, die (ehemals) Mitglieder diverser Landesregierungen waren, und einer Reihe von ex-DDR-BürokratInnen besteht, und den linken Teilen der Linkspartei nicht auflöst, sondern nur weiter fortschreibt. So wechselt das Programm ständig vom Anrufen des „demokratischen Sozialismus“ über die Definition von Mitbestimmung im Betrieb als reines „Korrektiv“ bis hin zu nicht notwendigerweise antikapitalistischen Konzepten wie der sogenannten „Solidarökonomie“, von der Forderung nach „radikaler Demokratie und „für eine andere Wirtschaftsordnung“ bis zur Aufrechterhaltung verschiedener Eigentumsformen ohne tatsächliche Angriffe auf das Privateigentum an Produktionsmitteln.

Bezeichnend ist auch, dass die Linkspartei schreibt, dass der Weg in die Zukunft durch „Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein wird“, ohne aber konkret das Subjekt und das Objekt dieser Umwälzungen zu benennen. Statt die Frage „Reform oder Revolution?“ zu beantworten, bietet das Programm keine Antwort, die über die Forderung nach mehr Demokratie und der Begrenzung des Finanzmarktes tatsächlich hinausgeht. Während in Phrasen immer wieder betont wird, dass Krisen und Ausbeutung kapitalistische Normalität sind, findet dies in konkreten Perspektiven für den Widerstand keinen Widerhall.

Rosa Luxemburg schafft es in der Linkspartei halt nur bis zum Konterfei. Anders als für die Revolutionärin, mit der sich die Linkspartei allzu gern schmückt, ist die bürgerliche Demokratie für die Linkspartei eine Art höhere Zivilisationsform, die es zu perfektionieren gilt. Zwar gäbe es in den Vorstellungen der ReformistInnen der Linkspartei noch so manche Antagonismen, die aber im Rahmen der Demokratie, ohne Klassencharakter, gelöst werden könnten, bis irgendwann in der Zukunft die Gesellschaft die Kontrolle über die Wirtschaft erlangen würde. Der große Beitrag der Linkspartei hierbei wäre, im Parlament für die Verabschiedung der notwendigen Gesetzesinitiativen zu „kämpfen“. Solange dies nicht erreicht sei, wird eben da, wo man Regierungsverantwortung übernimmt, mal der soziale Rotstift benutzt. Bis dahin wird „die Partei mit der Option Regieren ebenso verantwortungsvoll (…) wie mit der Option Opponieren“ umgehen[2].

Alter Wein in neuen Schläuchen

Angesichts der historischen Krise des Kapitalismus ist das Programm der Linkspartei vor allem eins: enttäuschend – aber erwartungsgemäß enttäuschend. Nicht mit einem Satz ist die Frage enthalten, wie eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung aufgebaut werden kann, die die kommenden Angriffe der KapitalistInnen zurückschlagen könnte. Stattdessen werden lauwarme Ideen über „mehr Demokratie“ und einer „Stärkung aller Institutionen“ verbunden mit abwechselnden Appellen, dass der Kapitalismus überwunden werden müsse (ohne zu sagen, wie) und dass die Macht der Konzerne „begrenzt“ (eben nicht abgeschafft) werden müsse.

Bereits 2009 haben wir geschrieben, dass das Projekt der Linkspartei utopisch sei, denn es ist ausgeschlossen, angesichts der Schärfe der Wirtschaftskrise weitgehende Zugeständnisse der KapitalistInnen im Parlament zu erreichen. In der Epoche des kapitalistischen Aufschwungs „waren diese Konzessionen durchaus real (…). Die Industrie dehnte sich zu dieser Zeit fast ununterbrochen aus. Der Reichtum der zivilisierten Nationen und teilweise auch der arbeitenden Massen wuchs an. Die Demokratie schien gesichert. Die Arbeiterorganisationen wuchsen. Gleichzeitig vertieften sich die reformistischen Tendenzen. Die Beziehungen zwischen den Klassen nahmen, wenigstens äußerlich, an Spannung ab.“[3] Daran will die Linkspartei anknüpfen und hofft auf die Wiederbelebung der Sozialdemokratie bzw. eines sozialdemokratischen Projektes, welches sie die „Resozialdemokratisierung der SPD“ nennt.

Jedoch werden die Spannungen zwischen den Klassen kontinuierlich zunehmen. Der gesellschaftliche Reichtum verschwindet in den Taschen von Bankiers und Industriellen, Armut und Perspektivlosigkeit grassieren selbst bei den Beschäftigten. Sogar rudimentärste Elemente der bürgerlichen Demokratie sind nicht mehr gesichert, wie die vorbonapartistischen Tendenzen in Europa zeigen. Der sogenannte Sozialstaat hat ausgedient.

Das alles befürchten auch unsere linksreformistischen Paladine und fordern deshalb den Griff in den keynesianistischen Zauberhut. Der „zügellose Kapitalismus“ soll durch die Stärkung des Staates mittels protektionistischer Maßnahmen bekämpft werden; die Bestrebungen der Massen, ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten, soll mittels eines Solidarpakts mit der produktiven deutschen Industrie gegen das raffende multinationale Kapital erreicht werden; im verschärften imperialistischen Wettkampf soll die Ankurbelung des Binnenmarktes die Spannungen zwischen den verschiedenen kapitalistischen Mächten überwinden. Das Programm der Linkspartei kann aber angesichts der Wirtschaftskrise und der verschärften Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit höchstens den aus der Standortlogik erfolgten Chauvinismus bedienen.

Ein Programm soll ein Wegweiser sein. Das Programm der Linkspartei aber weist in viele Richtungen gleichzeitig, nur nicht in die richtige. Und so atmet jeder Satz des Programms den Widerspruch zwischen (ex-)RegierungsbürokratInnen aus Ostdeutschland, die nur eine lauwarme Stalinismuskritik aussprechen, unteren und mittleren GewerkschaftsfunktionärInnen aus Westdeutschland, die ihre eigene Verflochtenheit mit der herrschenden Klasse verleugnen wollen, einem „linken“ Flügel angeführt von Sahra Wagenknecht, die sich in ihrem neuen Buch zum Liberalismus und zur sozialen Marktwirtschaft bekennt, und einer kleinen Gruppe trotzkistischer Organisationen, die die Linksparteibürokratie nach links zu schieben versuchen, anstatt eine echte Alternative aufzubauen. Nur mit diesem Widerspruch kann erklärt werden, dass die weltweite Wirtschaftskrise nicht dafür gesorgt hat, dass die Linkspartei an Einfluss gewinnt, weder als Partei der sozialen Kämpfe noch als „echter“ reformistischer Ersatz für die traditionelle Sozialdemokratie. Denn in der Praxis sorgte dieser Widerspruch dafür, dass die Linkspartei während der ganzen Zeit der Krise nicht massiv zu Mobilisierungen auf der Straße aufgerufen hat, die eine Alternative hätten sein können zu dem „Weiter so“ der SPD.

Während die Linkspartei zumindest bis 2009 einige Wahlerfolge verzeichnen konnte, ist sie seitdem auf einer stetigen Talfahrt und musste schließlich in Berlin 2011 die Regierungsbeteiligung abgeben. Diese Entwicklung lässt sich nur damit erklären, dass die Linkspartei es nicht geschafft hat, eine Antwort auf die dringendsten Fragen der Massen zu geben – und das in einer historisch günstigen Situation, wie es sie seit Jahrzehnten nicht gegeben hat.

Die Linkspartei, geblendet vom Eindruck einer stets freier, gerechter und menschlicher werdenden Gesellschaft, die in den Boom-Jahren geschaffen wurde, will sich nicht eingestehen, dass die Wirtschaftskrise die Fiktion der aufsteigenden Linie des Fortschritts zunichte gemacht hat. Deshalb hält sie mehr als hundert Jahre nach den Auseinandersetzungen zwischen Rosa Luxemburg und Eduard Bernstein nach wie vor „den Hühnerstall des bürgerlichen Parlamentarismus für das berufene Organ“, das „die gewaltigste weltgeschichtliche Umwälzung: die Überführung der Gesellschaft aus den kapitalistischen in sozialistische Formen“ vollziehen wird[4]. Es geht also nicht um Klassenkampf, sondern um „parlamentarische Verankerung“, denn dort, und nur dort kann aus Sicht der Linkspartei „die politische Achse ein Stück weiter nach links“ verschoben werden[5].

Angesichts des semantischen Linkrucks mögen einige linke Strömungen das neue Programm der Linkspartei als einen tatsächlichen „Linksruck“ feiern – in Wirklichkeit ist es nur das ideologische Elend, das sich in einige radikaler klingende Phrasen eingeschlichen hat. Mit diesem Programm, welches alles außer einen roten Faden hat, bewegt sich die Linkspartei nicht tatsächlich nach links, sondern sie wirft erschrocken von der Wirtschaftskrise und deren Folgen lediglich einen müden Blick nach rechts. Und bis dahin hofft sie auf einen neuen Anlauf, im Jahre… 2013. Währenddessen bereitet sich das Kapital auf neue Angriffe vor. Die vom deutschen Imperialismus aufgezwungenen Kürzungspakete für Griechenland, Italien und Spanien sind der Vorgeschmack auf die kommenden Angriffe zu Hause.

Angesichts der ideologischen Krise, in die uns der Stalinismus manövriert hat, besteht nun die Aufgabe, eine echte politische Alternative für die Ausgebeuteten und Unterdrückten aufzubauen.

Der Vormarsch der Rechten in ganz Europa zeigt den Weg, der auch in Deutschland eingeschlagen wird, falls keine Alternative zum parlamentarischen Kretinismus der Linkspartei entstehen sollte. Die Aufgabe für RevolutionärInnen besteht aus unserer Sicht darin, eine revolutionäre Alternative zum Reformismus aufzubauen – und nicht darin, zu versuchen, die reformistischen Apparate nach links zu drängen. Damit die Massen nicht in Resignation verfallen, muss eine Alternative aufgebaut werden, die auch siegen kann. Die Linke ist diese Alternative nicht. Wer dies noch glaubt, vertagt die dringende Aufgabe des Aufbaus einer revolutionären Führung auf eine unbestimmte Zukunft.

Wir sehen unsere Aufgabe darin, mit den fortschrittlichsten Sektoren der ArbeiterInnen und Jugend, die sich in den anfänglichen Kämpfen herausbilden, in einer revolutionären Partei zu gruppieren. Das wird nur durch die Fusion verschiedener Gruppierungen und kämpferischer Sektoren, die durch eine gemeinsame Erfahrung zu den gleichen revolutionären Schlussfolgerungen kommen, möglich sein. Das Programm einer solchen Partei muss sich international organisieren und sich auf die historischen Lehren des Klassenkampfes stützen. Deswegen treten wir für den Wiederaufbau der Vierten Internationale ein.

Fußnoten

[1]. Die Linke: Programm der Partei DIE LINKE. Erfurt 2011.

[2]. Die Linke: Wahlstrategie 2011 – Gemeinsame Aufgaben und Ziele der Partei DIE LINKE in den Wahlkämpfen 2011.

[3]. Leo Trotzki: Ihre Moral und unsere.

[4]. Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution?

[5]. Ebd.

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