Iran und Deutschland nach dem Atomabkommen

24.07.2015, Lesezeit 4 Min.
1

// Auch wenn die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Atomabkommen hinter den USA in zweiter Reihe stand, war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) der erste ranghohe westliche Politiker, der Teheran nach der Unterzeichnung besuchte. //

Der Besuch des deutschen Vizekanzlers macht deutlich, dass auch das deutsche Kapital von dem Wiener Abkommen zwischen der 5+1-Gruppe und dem Iran profitieren möchte. Es sieht einerseits eine Reduzierung und Kontrolle des iranischen Nuklearprogramms und andererseits das schrittweise Fallenlassen der zahlreichen Sanktionen, die auf der Islamischen Republik lasten.

Am Montag stimmte der UN-Sicherheitsrat einer diesbezüglichen Resolution zu. In einem zweiten Schritt wird eine Inspektion der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA erfolgen. Daraufhin werden die Sanktionen der UN fallengelassen. Die von den USA und der Europäischen Union getroffenen Strafmaßnahmen sind darin nicht eingebunden.

Aufbruch zu neuen Märkten?

Doch schon jetzt streckt das imperialistische Kapital seine Klauen aus. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Ulrich Grillo genauso wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) frohlocken, die Ausfuhren in das asiatische Land könnten sich in den nächsten vier Jahren von 2,39 Milliarden im Jahr 2014 auf 10 Milliarden vervierfachen. Exportgüter könnten dabei im Maschinen- und Anlagenbau, der Petrochemie und bei den erneuerbaren Energien liegen.

Gabriel ist der erste deutsche Minister, der seit 2002 Teheran besucht und der erste westliche Spitzenpolitiker nach dem Atom-Abschluss. Denn Eile ist geboten: Andere multinationale Firmen wie McDonalds haben schon Lizenzen beantragt, um sich im Iran anzusiedeln. Gabriel als Vertreter der deutschen Bourgeoisie möchte ihr einen privilegierten Platz in der geöffneten Wirtschaft ermöglichen.

Dabei will er historisch an die guten Beziehungen anknüpfen, die das deutsche Kapitel vor der Islamischen Revolution mit dem Schah-Regime hatte. Ziel ist wie damals nicht der Schutz von „Freiheit“ und „Demokratie“ sondern die Eroberung der Einflusssphäre um den iranischen Markt. Besonders wegen der andauernden Krise in den südeuropäischen Ländern wie Griechenland oder Spanien bietet die Erschließung neuer Märkte wie dieser eine hervorragende Kompensation für das deutsche Kapital.

Nach 14 Jahren wird eine gemeinsame Wirtschaftskommission die wirtschaftliche Zusammenarbeit planen. Dabei ist klar, wie diese „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ aussehen wird: Während die deutschen Industrieunternehmen sich im Iran aufbauen, von den niedrigen Löhnen und dem expandierenden Markt profitieren und ihre Gewinne in die Heimat zurückschicken, bleibt für den Iran die Rolle übrig, die Rahmenbedingungen für eine abhängige Wirtschaft zu schaffen, also: Privatisierungen und Prekarisierung auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung.

Noch im Schatten der USA

Diese Verhandlungen sind im geopolitischen Kontext zu betrachten. Mit der Wirtschaftskrise in Europa und besonders durch die katastrophale Situation in Russland, das unter dem Fall der Erdölpreise und den Sanktionen im Rahmen der Ukraine-Krise zu leiden hat, sind die klassischen Exportmärkte instabil geworden. Das deutsche Kapital konnte von der Krise profitieren und hat besonders in Südeuropa den Halbkolonialisierungsprozess vorangetrieben. Zudem könnten verbesserte Beziehungen zum Iran auch eine Alternative zum Öl-Import aus Russland darstellen.

Israel, strategischer Verbündeter des Imperialismus in der Region, lehnte das Atom-Abkommen ab, da es sich durch die Stärkung des Iran als Regionalmacht gefährdet sieht. In diese Richtung betonte Gabriel bei seinem Besuch auch die „große Bedeutung“, die „für uns Deutsche die Sicherheit Israels“ habe. Damit macht er deutlich, dass sich auch in Zukunft nichts an der Unterstützung reaktionärer Regime wie Israel oder Saudi-Arabien, bspw. durch Waffenlieferungen, zur Sicherung der imperialistischen Kontrolle über die Region ändert.

Denn diese Rolle hat das Abkommen auch für die USA, die in ihrem Niedergang als weltweiter Hegemon „neue“ Wege suchen, um ihre Vorherrschaft über ihre „klassischen“ Hinterhöfe zu sichern, wie man es bei den Annäherungen an Kuba sehen kann. Deutschland kann als aufstrebender Hegemon in seinem Einflussgebiet seine Interessen durchsetzen – wie man es im Fall von Griechenland um die Auseinandersetzung mit Frankreich um den Schuldenschnitt sehen konnte. In Fällen wie des Iran, aber auch Kuba, ist es aber (noch!) gezwungen, dem Schatten des US-Imperialismus zu folgen.

Mehr zum Thema