Gewerkschaften und Geflüchtete

29.07.2014, Lesezeit 4 Min.
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// Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus wollen sich in Gewerkschaften organisieren, doch die deutschen ArbeiterInnenorganisationen haben dazu keine klare Linie //

„Seit zwei Jahren kämpfen wir für unsere Rechte“, so Turgay Ulu, ein Journalist aus der Türkei, der als politischer Flüchtling in Deutschland lebt. Die Flüchtlingsproteste wachsen derzeit und bekommen viel Unterstützung von Jugendgruppen, MieterInneninitiativen, Kirchengemeinden und unorganisierten Personen. Doch Ulu, der wegen seiner politischen Tätigkeit 15 Jahre in türkischen Gefängnissen verbracht hat, möchte, dass auch die großen Organisationen der ArbeiterInnen – die Gewerkschaften – sich klar positionieren.

„Es sind natürlich nicht die reichen Leute, die als Flüchtlinge ankommen“, so Ulu. „Die Flüchtlinge sind eine sehr heterogene Gruppe, aber ich bin längst nicht der einzige, der sich als Mitglied der Arbeiterklasse versteht.“ Ulu lebte im Protestcamp am Oranienplatz und in der besetzten Schule in der Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg. Er nahm an Hungerstreiks an öffentlichen Plätzen sowie an Protestmärschen durch ganz Deutschland und Europa teil. Doch Gewerkschaftsmitglied ist er nicht.

„Die deutschen Gewerkschaften wollen für jedes Mitglied eine Anschrift und eine Kontoverbindung“ sagt Erdogan Kaya, Busfahrer bei der Berliner BVG und gleichzeitig Vorsitzender des Bundesmigrationsausschusses von ver.di. „Bei den Gewerkschaften in der Türkei wäre das unproblematischer: Man organisiert die Leute einfach so und kassiert die Mitgliedsbeiträge in bar.“ Genauso sollten deutsche Gewerkschaften Menschen ohne Papiere organisieren, so Kaya.

„Wir wollen Arbeit!“ skandieren die 300 Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ immer wieder auf Demonstrationen. Sie hatten verschiedene Berufe in Libyen ausgeübt, bis sie wegen des NATO-Krieges im Jahr 2011 fliehen mussten. Über die italienische Insel Lampedusa kamen sie schließlich nach Deutschland – aber hier dürfen sie nicht legal arbeiten. Um sich mit anderen Lohnabhängigen zu verbinden, sind die 300 im Juli letzten Jahres der Gewerkschaft ver.di beigetreten. Peter Bremme, Leiter des Fachbereichs 13 („Besondere Dienstleistungen“), setzte sich für die Papierlosen ein – und bekam eine Abmahnung von der Landesleitung.

Die ver.di-Bundesverwaltung ließ ein Gutachten zur Frage erstellen, ob die Flüchtlinge Mitglied werden dürfen. Die Antwort lautete, dass Menschen ohne Aufenthaltsstatus keine Erwerbslosen im juristischen Sinne seien. Also: nein. Aber gegen diese Haltung regt sich innergewerkschaftlich Widerstand. Im Januar forderten über 500 ver.di-Mitglieder in einem offenen Brief an ihren Bundesvorstand eine „Mitgliedschaft ohne Aufenthaltsstatus“. Und auf lokaler Ebene gibt es Anlaufstellen für ArbeiterInnen ohne legalen Aufenthaltsstaus, wenn sie gewerkschaftliche Unterstützung benötigen.

„In den Gewerkschaften gibt es noch keine klare Linie“, so Kaya, aber die Migrationsausschüsse auf Landes- und Bundesebene setzen sich für die Rechte der Flüchtlinge ein. Denn illegalisierte Menschen müssen arbeiten. Da sie aber keine Rechte haben, tun sie dies meist zu miserablen Löhne und unter schrecklichen Bedingungen. Das senkt wiederum die Löhne von allen. Kaya möchte, dass das Thema auf der Konferenz „Erneuerung durch Streik“ im Oktober in Hannover diskutiert wird. Auf dem ver.di-Bundeskongress, der nächstes Jahr stattfindet, wünscht er sich eine klare Positionierung.

Das begrüßen die Flüchtlinge, unter denen das Interesse an gewerkschaftlicher Organisierung wächst. „Wir haben unsere Aktion bewusst ‚refugee strike‘ genannt“, so Ulu, „denn Streiks sind die Aktionsform der Arbeiter.“ In Griechenland habe er gesehen, dass die Menschen wirkliche Angst um ihre Arbeitsplätze hatten. Man müsse deswegen Forderungen aufstellen, die legale und illegale ArbeiterInnen verbinden, so der Journalist. Ob er Gewerkschaftsmitglied werden kann, wird sich noch zeigen.

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ausführliches Interview mit Turgay Ulu

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