Ein europäischer Frühling?

09.02.2015, Lesezeit 5 Min.
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// GRIECHENLAND: Der Wahlsieg der linksreformistischen Partei Syriza versetzt das Kapital in Sorge und die Linke in Euphorie. //

Es war eine heiße Nacht im Athener Januar: Die reformistische Linke aus ganz Europa war anwesend, als die vorgezogene Parlamentswahl in Griechenland der Linkspartei Syriza fast 37 Prozent der Stimmen bescherte. Freudetaumelnd umarmten sie sich, als klar war, dass Alexis Tsipras nun die stärkste Partei im griechischen Parlament anführt. „Die Hoffnung ist da“, war der Slogan der Stunde. Der Wahlparty folgte allerdings ein ernüchternder Morgen: Nur wenige Stunden, nachdem er die absolute Mehrheit knapp verpasst hatte, bildete Tsipras eine Koalition mit der rechtspopulistischen ANEL. Folgt auf die Feierlaune nun also im Rekordtempo die Katerstimmung?

Niederlage Merkels

Mit der Wahl Syrizas wurde der harte Sparkurs abgelehnt, der in den vergangenen Krisenjahren zum Elend von Millionen ArbeiterInnen und Jugendlichen in Griechenland geführt hatte. Die Austeritätspolitik der Troika – bestehend aus EZB, IWF und der Europäischen Kommission – fuhr eine klare Niederlage ein. Die etablierten Parteien, die konservative Nea Demokratia (ND) und die sozialdemokratische PASOK, erhielten gemeinsam nur 32,5% der Stimmen. Ihre Zweiparteienherrschaft ist beendet und die PASOK, jahrzehntelang ein zentraler Pfeiler des griechischen Regimes, ging sogar schwächer als die stalinistische KKE aus den Wahlen hervor. Gleichzeitig wurde die faschistische Chrysi Avgy die drittstärkste Kraft – obwohl ihre Führung im Gefängnis sitzt.

Die bürgerlichen Medien in Deutschland beeilten sich, diesen „Albtraum“ (Der Spiegel) in kräftigen Farben auszumalen. Gleichzeitig signalisierten die europäischen Regierungen und die EU, dass die Spardiktate der Troika keinesfalls verhandelbar seien. Dabei geht es aber nicht allein um die ökonomischen Auswirkungen eines veränderten Kurses in Griechenland, sondern vor allem um die politische „Ansteckungsgefahr“, die die herrschenden Klassen in Europa in der griechischen Situation wittern. Doch ob die Wahl Syrizas in Griechenland wirklich zu einem Aufschwung der Klassenkämpfe in Europa führen wird, wie viele Linke euphorisch hoffen, ist stark zu bezweifeln.

Eine Volksfront

Denn schon wenige Tage nach der Wahl zeichnet sie die tatsächliche Linie der Syriza-ANEL-Regierung ab. Einerseits sind zwar schon jetzt einige Reformen angekündigt worden, so zum Beispiel eine Erhöhung des Mindestlohns auf Vor-Krisen-Niveau, der Stopp einiger Privatisierungen und die Wiedereinstellung Tausender Beschäftigter im öffentlichen Dienst. Diese kleinen aber realen Verbesserungen der Lebensbedingungen der Massen verteidigen wir vor möglichen Angriffen der imperialistischen EU oder der „Märkte“.

Doch zur gleichen Zeit zeigt sich auch das andere Gesicht dieser Regierung, die nach der Analyse Stathis Kouvelakis’ von der „Linken Plattform“ in Syriza „das Ende der Idee einer ‚Anti-Austeritäts-Regierung der Linken’ symbolisieren“ würde. Panos Kammenos, dem fremdenfeindlichen und strenggläubigen Anführer von ANEL, wurde das Verteidigungsministerium zugesprochen, der sogleich mit einem Flug über Agäis-Inseln für eine Eskalation mit der Türkei sorgte. Nur Tage nachdem die „Troika“ von Finanzminister Varoufakis als Verhandlungspartnerin abgelehnt worden ist, bemühen sich sowohl Tsipras als auch Varoufakis selbst um eine „Entspannung“.

Dabei geht es nicht um eine Abkehr von der Sparpolitik der EU und Deutschlands, sondern nur die Suche nach einer besseren Verhandlungsbasis um deren Rhythmus. Auch die Annäherungsversuche an Russland sind kein Ansatz für einen progressiven Ausweg aus der Krise, sondern stellen die Hoffnung dar, einen größeren Manövrierraum gegenüber den europäischen „Partnern“ zu erlangen. Selbst Varoufakis verkündete in der FAZ, dass Europa Deutschland als Hegemon brauche.

Kein Bruch

Syriza strebt keinen grundlegenden Bruch mit diesem System an. Das erkennen selbst viele derjenigen Linken an, die es nun für notwendig halten, Syriza an der Regierung zu unterstützen. Doch selbst ob Syriza eine „linke Regierung“ oder überhaupt eine „Anti-Austeritäts-Regierung“ anführen wird, wird sich noch zeigen.

Das grundlegende Problem ist, dass Syriza nie auf die Mobilisierung der Massen zur Durchsetzung der notwendigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen gesetzt, sondern diese im Gegenteil immer im bürgerlich-parlamentarischen Rahmen gehalten hat. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass dies mit Tsipras als Ministerpräsident anders werden sollte.

Die zu erwartende Enttäuschung breiter Sektoren der Massen könnte dabei zur Ablehnung jeglicher linker Alternativen und einer weiteren Stärkung der faschistischen Rechten führen – falls nicht jetzt schon eine konsequent klassenkämpferische und revolutionäre Alternative zu Syriza aufgebaut wird. Der erste Schritt dahin ist die konstante Mobilisierung auch gegen die Syriza-Regierung, um ihr die notwendigen Forderungen aufzuzwingen. Nur der Aufbau einer revolutionären Organisation, die die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa als einzige realistische Perspektive erhebt, kann die griechischen Massen aus dem Elend befreien.

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