Ein Deal gegen die Arbeiter*innen

18.01.2016, Lesezeit 4 Min.
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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ermöglichte mit einer Ministererlaubnis die Übernahme von 451 Kaiser’s-Filialen vom Branchenriesen Edeka. Ein Deal gegen alle Lohnabhängigen. Kommentar eines Kaiser’s-Arbeiters.

Alle waren dagegen: Im April lehnte das Bundeskartellamt die Übernahme von 451 Supermärkten von Kaiser’s-Tengelmann an Edeka ab, da sich der Wettbewerb in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Teilen Bayerns erheblich verschlechtern würde. Danach legte auch die Monopolkommission der Bundesregierung Gabriel nahe, die Fusion abzulehnen. Natürlich stemmten sich auch andere Supermarkt-Ketten wie Rewe gegen den Deal, um eine weitere Stärkung ihres Konkurrenten zu verhindern.

Tatsächlich hat Edeka als Branchenprimus schon jetzt die größte Marktdichte. Dazu kommt, dass sich vier Lebensmitteleinzelhändler 85 Prozent des gesamten Marktes aufteilen: Edeka, Rewe, Schwarz (Lidl und Kaufland) und Aldi. Die Eigentümer*innen von Aldi Süd und Nord sowie von Lidl gehören zudem zu den reichsten Deutschen und besitzen jeweils mehr als ein Dutzend Milliarden Euro.

Geschäftsmodell Prekarisierung

Zur gleichen Zeit gehören die Supermärkte als Teil des Einzelhandels zum Paradies der Prekarisierung. Bekämpfung gewerkschaftlicher Aktivität, Befristung und Flexibilisierung und Niedriglöhne gehören dabei zum Alltag für Hunderttausende Arbeiter*innen in diesem Sektor.

Dazu kommen Praktiken wie Preisabsprachen mit großen Lebensmittelkonzernen, die Mitte vergangenen Jahrs zu einer Geldstrafe von über 181 Milliarde Euro führten. Dabei kontrollierten die Unternehmen das Preisniveau bei den verschiedenen Supermärkten und beschwerten sich bei „zu niedrigen“ Preisen, was dazu führte, das Preiseinfälle ausblieben.

Den Kapitalist*innen der großen Supermarktketten ist also keine Praxis zu schade, um ihre Milliarden auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung anzuhäufen. Mit der Ministererlaubnis macht Gabriel jetzt Bahn frei für eine Zuspitzung dieser Situation. Dabei soll das Argument der Arbeitsplatzsicherung die einfache Tatsache überdecken, dass für die Profitvermehrung der Kapitalist*innen jede Ausnahme Recht ist.

Denn auch wenn die aktuelle Abmachung eine Jobgarantie für 97 Prozent der Beschäftigten enthält, gilt diese nur für die ersten fünf Jahre. Die Fleischwerke „Birkenhof“ von Kaiser’s-Tengelmann können sogar schon nach drei Jahren umstrukturiert werden. Doch das was von ver.di und dem Wirtschaftsminister als eine positive Nachricht für die mehr als 16.000 Angestellten von Kaiser’s verkauft wird, ist ein Deal gegen alle Arbeiter*innen.

Edeka wird schon seit Jahren von Gewerkschafter*innen wegen Tarifflucht, Union-Busting und Dumpinglöhne verurteilt. Das Netz aus eigenständigen Filialleiter*innen zerstückelt den Betrieb und macht gemeinsame Kämpfe zunehmend schwerer. Durch die Fusion wird die Vormachtstellung des Konzerns noch weiter zunehmen, noch größere Angriffe auf die Beschäftigten drohen. Gleichzeitig wird auch die Monopolstellung in einigen Regionen Deutschlands und die Preiskontrolle stärker werden – höhere Preise drohen, den Geldbeutel der Lohnabhängigen leer zu machen. Und ist einmal die Frist überstanden, kommen Massenentlassungen und Filialschließungen dazu.

Die Arbeiter*innen von Kaiser’s-Tengelmann, Edeka und anderen Supermärkten müssen sich gegen diese unternehmensfreundliche Entscheidung der Regierung stellen und gemeinsam dafür kämpfen, dass kein Kollege entlassen, kein Lohn gesenkt und kein Preis gehoben wird. Wenn wie im Falle Kaiser’s-Tengelmann die milliardenschweren Kapitalist*innen nicht mehr Bereit sind, den Betrieb zu führen, sollte sich die Regierung nicht um den besten Deal für den*die nächste*n Unternehmer*in kümmern, sondern den Betrieb verstaatlichen und unter Kontrolle ihrer Arbeiter*innen und lohnabhängigen Bevölkerung verwalten lassen. Nur so kann verhindert werden, dass die Arbeiter*innen die Leidtragenden von der Krise des Unternehmens sein werden.

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